Die Magd von Fairbourne Hall
Seelen hätte keine Farbe und vor Gott, dessen Sohn gestorben war, um allen Menschen die Freiheit zu bringen, sei jeder Mensch gleich wertvoll.
Nathaniel stimmte nicht mit allem überein, was der Mann sagte, doch es berührte ihn tief. Wenn er jetzt zurückdachte, wurde ihm klar, dass Mr Macy eine Saat in ihm gepflanzt hatte, die erst zur Reife kommen konnte, als er auf Barbados gelebt und die Grausamkeit der Sklaverei mit eigenen Augen gesehen hatte.
Nach der anschließenden Debatte hatte er sich Mr Macy vorgestellt. Der Pfarrer hatte ihn und auch seine abweichende Meinung freundlich und ohne Empfindlichkeiten akzeptiert, ja, er lud Nathaniel sogar ein, ihn zu Hause zu besuchen, wenn er einmal in der Nähe sein sollte.
Ein Ritt zu seinem Onkel Townsend hatte Nathaniel dann noch im Herbst des gleichen Jahres nach Sussex geführt. Dabei hatte er beschlossen, auf Mr Macys Einladung zurückzukommen. Das Dorf Summerfield war nicht groß und nachdem er den Schmied nach dem Weg gefragt hatte, hatte er Lime Tree Lodge rasch gefunden.
Welch ein Anblick das Cottage war! Zwei Stockwerke, gebaut aus goldfarbenen Steinen, mit Efeu überrankte Hauswände, ein Schieferdach. Eine niedrige Mauer umgab einen Garten, der in leuchtenden Herbstfarben prangte; das Grundstück selbst war eingefasst von herrlichen alten Bäumen.
Nathaniel hielt sein Pferd an und sah von der Straße aus hinüber. Halb versteckt von einer großen Weide, nahm er den Anblick in sich auf und fragte sich dabei, ob er das Grundstück wirklich betreten sollte. Dann näherte sich ein Einspänner, gezogen von einem Grauen. Stephen Macy hielt die Zügel, Nathaniel erkannte ihn sofort. Neben ihm saß eine junge blonde Frau. Bewunderung lag auf ihrem Gesicht, als sie über etwas lachte, das Mr Macy sagte. Sie küsste ihn auf die Wange und sprang vom Wagen, noch ehe er richtig angehalten hatte. Dann lief sie zu der Baumschaukel neben dem Haus und begann mit übermütiger Begeisterung zu schaukeln. Sie wirkte dadurch jünger, als sie den Jahren nach wahrscheinlich war. Er spürte, wie er unwillkürlich lächelte. Ihm wurde leicht ums Herz bei diesem Anblick.
Ein wesentlich jüngeres Mädchen und ein Junge kamen aus dem Cottage gelaufen. Die junge Frau sprang von der Schaukel, landete anmutig auf den Füßen und überließ ihren Geschwistern den Sitz; dann stieß sie zuerst das Mädchen und dann den Jungen an, sodass sie hoch in die Luft flogen.
Stephen Macy tauchte neben Nathaniels Pferd auf, den Mund zu einem spitzbübischen Lächeln verzogen, ein vergnügtes Funkeln in den Augen. »Wollen Sie den ganzen Nachmittag hier sitzen und den Anblick genießen oder kommen Sie mit rein?«
»Äh – tut mir leid, Sir. Ich wollte Ihnen Zeit lassen anzukommen, bevor ich klopfe.«
Stephen Macy blickte über das Mäuerchen zu seinen drei Kindern hinüber. »Das ist meine Älteste, Margaret. Wir kommen gerade von Besuchen bei meinen Pfarrkindern zurück. Sie ist ein Schatz, genauso wie meine jüngeren Kinder. Ich bin wirklich reich gesegnet.«
»Das sehe ich, Sir.«
Mr Macy betrachtete ihn. »Nathaniel war Ihr Name, nicht wahr?«
»Ja, Sir.«
»Meine Frau ist nicht zu Hause, aber kommen Sie doch rein und trinken Sie eine Tasse Tee mit mir.«
»Ich möchte nicht lästig sein.«
»Das sind Sie auch nicht. Kommen Sie. Arthur kümmert sich um Ihr Pferd.«
Ein paar Minuten später saßen sie zusammen in einem gemütlichen Wohnzimmer. Eine ältere Haushälterin brachte ein Tablett mit Keksen und Törtchen und anderen guten Dingen herein.
Die junge blonde Frau betrat das Zimmer und zögerte, als sie ihn sah. »Entschuldigung, Vater, ich wusste nicht, dass du einen Gast hast.«
»Komm, setz dich zu uns, meine Liebe. Das ist Nathaniel Upchurch. Mr Upchurch, meine Tochter Margaret.«
Nathaniel stand auf und verbeugte sich. »Miss Macy.«
Sie knickste. »Mr Upchurch.«
Aus der Nähe sah die junge Frau merkwürdig vertraut aus. Nathaniel sagte: »Ich glaube, ich habe Sie schon gesehen, Miss Macy. In London, während der Saison?«
»Ach ja?« Ein wenig unsicher fuhr sie sich über ihr vom Wind zerzaustes Haar und ihre ungepuderte Wange. »Ich bin überrascht, dass Sie mich wiedererkennen; ich muss furchtbar aussehen.«
»Ganz und gar nicht.«
Ihr Gesicht war noch rosig von der Kutschfahrt und vom Schaukeln. In seinen Augen war Margaret Macy sehr viel anziehender als die gepuderten, perfekt frisierten Damen in den Ballsälen. Sie sah ungekünstelt, temperamentvoll und
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