Die Magd von Fairbourne Hall
nicht gewesen wäre, wüsste die Herrin gar nicht, dass es dich gibt.«
Wenn Margaret das doch nur vorausgesehen hätte! »Ich wollte doch nur helfen.«
»Dir selber helfen, meinst du. Du weißt doch, dass Betty hofft, dass Miss Helen sie irgendwann offiziell zu ihrer Zofe macht. Dann ist sie einen Schritt näher daran, eines Tages Haushälterin zu werden.«
Daran hatte Margaret nicht gedacht. Sie war versucht, darauf hinzuweisen, dass Betty weder Talent zum Frisieren noch zum Aufarbeiten alter Kleider hatte und dass sie keine der Tricks und Kniffe kannte, die eine Zofe kennen musste. Aber das wäre lieblos gewesen. Und – angesichts des Zorns in Fionas Gesicht – auch nicht ratsam.
»Ich weiß, dass du mir nicht glaubst, aber ich will keineswegs Miss Upchurchs Zofe werden.«
Fiona schnaubte. »Und warum nicht? Weil du lieber Kamine polierst?«
»Nein. Das ist es nicht. Ich frisiere sie sogar gern, aber …« Wie konnte sie der anderen ihre wirklichen Gründe begreiflich machen? Mir gefällt nicht, wie Helen Upchurch mich anstarrt. Ich glaube, sie hat mich erkannt und spielt mit mir. Margaret wusste, dass viele vornehme Damen ihre Zofen mit auf Besuche, Gesellschaften und zum Einkaufen nahmen … Und sie hatte keinerlei Bedürfnis auszugehen und sich dadurch der Gefahr auszusetzen, entdeckt zu werden. In ihrer Situation war ein unsichtbares Hausmädchen die deutlich bessere Alternative.
»Aber?«, soufflierte Fiona.
»Du musst mir schon vertrauen, wenn ich dir sage, dass ich keine Gefahr für euch bin. Ich will Bettys Stellung nicht – und deine auch nicht.«
Nach der Morgenandacht, während die Familie wie üblich ihr spätes Frühstück einnahm, ging Margaret hinauf, um die Schlafzimmer der Brüder zu säubern. Wie üblich beeilte sie sich sehr, weil sie Angst hatte, dass Nathaniel plötzlich heraufkommen könnte. Da sie wusste, dass Lewis nach London zurückgekehrt war, hatte sie sein Zimmer gestern ausgelassen, weil sie ihr eigenes und Bettys Arbeitspensum hatte bewältigen müssen. Der liebenswürdige Connor hatte das Zimmer in wildem Durcheinander hinterlassen, als er gepackt hatte, während die anderen ihren freien halben Tag genossen, deshalb dauerte es heute Morgen länger als üblich, es herzurichten. Sie war also etwas verspätet, als sie in Nathaniel Upchurchs Schlafzimmer lief und mit der Arbeit anfing.
Sie hielt einen Augenblick mit dem Abstauben inne, um ein Modellschiff zu betrachten, das auf der Kommode stand. Es war kein Kinderspielzeug, sondern ein maßstabgetreues Modell. Ein hölzerner Rumpf, abgeschliffen und furniert, die Takelage aus Rosshaar und Seide, die Masten und Spieren aus Elfenbein geschnitzt. Wie staubte man ein solches Schiff ab? Sie nahm das Modell in die Hand, kippte es leicht und sah, dass der Name Ecclesia auf die Seite gemalt war.
Ein leises Knacken.
Margaret erstarrte. Der Hauptmast war abgebrochen und mit ihm ein kleines Stück vom Deck. Sie sog scharf die Luft ein. »Oh nein …«
Die Tür hinter ihr ging auf und sie fuhr herum. In ihrer Panik verbarg sie die Stücke hinter dem Rücken wie ein Kind, das bei einem ähnlichen Missgeschick ertappt wird.
Nathaniel Upchurch ging durchs Zimmer, schenkte ihr jedoch kaum einen Blick. Fand er Dienstboten nicht der Beachtung würdig?
Er ging zu seinem Schreibtisch, nahm ein Buch und wollte wieder gehen.
Sie war erleichtert, dass sie doch nicht erwischt worden war. Wenn er fort war, würde sie das Schiff in ihr Zimmer schmuggeln und versuchen, es selbst zu reparieren. Oder klagte man sie – oder Betty oder Fiona – dann vielleicht an, es gestohlen zu haben? Ein Schiff wie dieses würde in der Stadt einen hohen Preis bringen. Nein. Das konnte sie nicht machen. Außerdem, sagte sie sich, war sie eine vierundzwanzigjährige Frau und keine verängstigte Siebenjährige.
»Sir?«, platzte sie heraus.
Er war schon an der Tür, blieb aber stirnrunzelnd stehen. Wahrscheinlich schätzte er es überhaupt nicht, von Hausmädchen angesprochen zu werden. »Ja.«
»Ich glaub, ich hab das Schiff von Ihnʼn zerbrochen«, sagte sie, absichtlich mit besonders starkem Akzent. Sein Blick flog zu den Stücken, die sie in der Hand hielt.
»Ich habʼs abgestaubt, Sir. ʼs tut mir schrecklich leid. Ich hätt vorsichtiger sein sollʼn.«
Er kam rasch auf sie zu, die Augen auf das Schiff gerichtet, die Lippen zusammengepresst. Sie selbst sah er gar nicht an, und doch sah sie Ärger oder etwas Schlimmeres in seinen Augen aufblitzen.
Er
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