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Die Magd von Fairbourne Hall

Die Magd von Fairbourne Hall

Titel: Die Magd von Fairbourne Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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Dienstmädchenschürze getragen. Doch die Veränderungen gingen noch sehr viel tiefer. Ihr Gesicht war jetzt schmaler. Nach fast einem Monat harter Arbeit, einfacher Kost und kaum Süßigkeiten war sie insgesamt dünner geworden. Ihre Wangenknochen sprangen stärker hervor, ihre Kinnlinie war ausgeprägter.
    Sie setzte die Brille ihres Vaters ab, mit der sie tatsächlich besser sehen konnte. Wahrscheinlich benötigte sie schon seit einiger Zeit eine Brille und war nur zu eitel gewesen, es zuzugeben. Dennoch – auch ohne die Brille wirkten ihre Augen verändert, auch wenn sie die Veränderung nicht genau benennen konnte. Hatte sie nicht mehr so dunkle Ringe um die Augen, jetzt, da sie etwas besser schlief? Sah sie nicht mehr so aus, als sei sie des Lebens überdrüssig?
    Sogar ohne Brille fing sie allmählich an, sich selbst klarer zu sehen.

[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
16

    Von Hausmädchen wurde erwartet, dass sie praktisch unsichtbar waren. Das Putzen musste erledigt sein, bevor die Herrschaft aufstand oder während sie abwesend war. Ein Hausmädchen schrieb später: »Ich glaube, man ging einfach davon aus, dass Heinzelmännchen im Haus gewesen waren.«
    Trevor May, The Victorian Domestic Servant
    Am nächsten Morgen nach dem Frühstück ging Margaret mit einiger Beklommenheit in Miss Upchurchs Zimmer. Sie überlegte, ob Helen ihr wohl sagen würde, was gestern hinter geschlossenen Türen gesprochen worden war. Was Sterling gesagt hatte, was Helen erzählt   … oder nicht erzählt hatte. Margaret hoffte, sie würde es ihr sagen, auch wenn sie sich gleichzeitig vor dem fürchtete, was sie erfahren würde.
    Als Margaret eintrat, saß Helen nicht wie gewöhnlich an ihrem Frisiertisch, sondern stand neben ihrem Schreibtisch und deutete auf ein Blatt Papier, das darauflag.
    »Setz dich.«
    Margaret zögerte angesichts ihres strengen Tones. »Was …?«
    »Ich nehme an, du hast weder Papier noch Tinte«, sagte Helen. »Also setz dich hin und schreib deinen Brief hier.«
    »Brief?«
    Helens Augen blitzten. »An deine Mutter. Du hast doch eine Mutter, nehme ich an? Eine, die sich fragt, wo du sein könntest, und sich Sorgen um dich macht?«
    Margaret schluckte. Sie erkannte, dass es nicht mehr nötig war, Helen gegenüber ihre Stimme zu verstellen, und sagte ruhig: »Ich wollte ja schreiben. Aber wenn ich den Brief von Maidstone aus aufgegeben hätte, hätte die Briefmarke doch …«
    »Dem bösen Stiefvater deinen Aufenthaltsort verraten?«, ergänzte Helen schelmisch. »Das habe ich bedacht. Hudson fährt morgen nach London, um sich mit einem Schiffszimmermann oder so jemand zu treffen. Ich werde ihn bitten, den Brief dort aufzugeben.«
    Margaret wunderte sich über ihre Freundlichkeit. »Danke.«
    Helen wehrte ab. »Deine Mutter verdient es zu wissen, dass du am Leben bist und dass es dir gut geht.«
    »Sie haben recht.« Margaret setzte sich an Helens Schreibtisch, nahm die Feder, tauchte sie in die Tinte und begann ihren Brief.
    Meine liebe Mama, Caroline und Gilbert,
    es tut mir leid, dass ich euch nicht früher geschrieben habe. Ich hoffe, ihr seid meinetwegen nicht allzu beunruhigt gewesen. Ich bin gesund und mir geht es gut.
    Bitte macht euch keine Sorgen um mich und versucht nicht mich zu finden. Ich bin zufrieden dort, wo ich bin, und möchte nicht nach Hause zurückkehren, aus Gründen, die du, Mama, und Mr Benton bestimmt verstehen.
    Ich bin sicher, Mr Marcus Benton wird Berkeley Square schon bald verlassen. Sagt ihm Lebewohl von mir.
    Caroline und Gilbert, lernt fleißig! Ich vermisse euch. Vergesst nie, dass ich euch sehr lieb habe.
    Eure Margaret
    Sie löschte die Tinte, las den Brief noch einmal durch und faltete ihn zusammen. Dabei fragte sie sich flüchtig, ob das Turkey-Mill-Wasserzeichen – das Kennzeichen eines Papiers, das hier in Maidstone hergestellt wurde – sie vielleicht verraten würde. Zum Glück war es das gebräuchlichste Papier überhaupt im ganzen Land.
    Helen kam herein und stellte eine brennende Kerze auf den Tisch – Margaret hatte gar nicht gemerkt, dass sie das Zimmer verlassen hatte. Wortlos reichte sie Margaret eine Stange Siegelwachs. Margaret ließ die Stange über der Flamme anschmelzen und drückte einen Wachskreis auf die Briefkante.
    Helen reichte ihr ein Siegel. »Es ist nur ein Schmucksiegel, nicht das Familienwappen oder irgendetwas anderes Identifizierbares.«
    »Sie haben wirklich an alles gedacht«, murmelte Margaret, presste das Siegel in das Wachs, hob es

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