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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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schon auf das Bett freute, stellte er Gurun Fragen, die ihm schon lange auf der Zunge brannten: Wie es dazu kam, dass sie ihn gerettet hatte, ob Eyvindr ebenfalls gefangen genommen worden war, vor allem aber, ob sie nicht noch irgendetwas über den Verbleib von Laggar wüsste.
    »Und warum hast du mich überhaupt gerettet?«, fragte er.
    »Du erinnerst dich an den Jungen, mit dem du oft geübt hast.«
    »Feilanr?«
    »Ja, der. Er hat euch verraten. Als mein Vater davon erfahren hat, war es schon zu spät, ihr wart bereits abgefahren. Weil er selber zurückmusste zu den Bœndi, habe ich mich bereit erklärt, als Magd eines Händlers getarnt zu Olaf zu fahren und euch abzufangen.«
    »Warum du? Warum nicht einer von Jarnskegges Gefolgsleuten?«
    Gurun sah ihn einen Augenblick lang auf eine Weise an, die ihm durch Mark und Bein fuhr, und überging seine Frage. »Als wir die Insel erreichten, war es schon zu spät – wir konnten noch beobachten, wie ihr in der Bucht ausgesetzt wurdet. Nun, und dann brachte ich dich hierher. Du bist der Einzige, den wir retten konnten. Jarnskegge wird es freuen, dass wenigstens sein Schutzkind Olafs Zorn überstanden hat.«
     
    Als er sich entkleidete, bemerkte er, wie Gurun ihn geradezu unverschämt offen dabei beobachtete. Peinlich berührt wollte er sich wegdrehen, aber sie hielt ihn sanft an der Schulter fest, und plötzlich spürte er ihren Atem an seinem Hals.
    »Ich würde so gern mitkommen«, hauchte Gurun ihm ins Ohr, und Kyrrispörr durchrieselte ein Schauer. Er war verwirrt und erregt zugleich. Guruns zärtliche Berührung trieb ihm Schweißperlen auf die Stirne. Mit einem Male sah er vor seinem geistigen Auge Æringa, und was gerade noch im schnellen Wachstum begriffen war, fiel nun in sich zusammen. Kyrrispörr wand sich wortlos aus Guruns Griff und stieg ins Bett, ohne den Blick zu heben. Er sah noch den Ausdruck tiefen Bedauerns auf ihrem Gesicht, bevor er sich die Decke über die Ohren zog. Er war erfüllt von einem schwer erklärbaren, aber umso heftigeren schlechten Gewissen Æringa gegenüber. Ein schlechtes Gewissen, das sich mit einer unvermuteten, brennenden Sehnsucht nach ihr vermischte.
    In dieser Nacht waren zwar die Fieberträume vorbei, stattdessen wurde er gequält von kaum weniger verwirrenden Träumen; und als er erwachte, da hatte er ein Gefühl, als liege ihm ein schartiger Eisblock im Magen. Das letzte Mal hatte er sich so gefühlt, als er den besten Bogen seines Vaters zerbrochen und es ihm noch nicht gestanden hatte. Über sich sah er Guruns Gesicht, das ihn mit fürsorglichem Ausdruck beobachtete. Er wischte sich den Schlaf aus den Augen. Einerseits war er froh darüber, dass er nicht allein war. Andererseits schürte eben dies sein schlechtes Gewissen.
    Gurun wiederholte ihre Annäherung in den nächsten Tagen zwar nicht, aber sie war immer in seiner Nähe, wenn es ihr möglich war, und strahlte dabei stets ein ungewöhnliches Maß an Glück aus. Kyrrispörr war das eigentlich durchaus angenehm, wäre da nicht ständig der Gedanke an Æringa gewesen.
    »Ich kann nicht weg«, sagte er eines Mittag zu Gurun.
    »Warum das denn? Der Händler, der dich nach Heiabýr bringen soll, kann jeden Tag eintreffen! Wahrscheinlich liegt er schon vor dem Fjord und wartet auf günstigen Wind zum Einfahren!«
    »Ich muss …« Kyrrispörr verstummte. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass es vielleicht nicht sehr geschickt war, Æringa als Grund zu nennen. »Warum kann ich nicht zu Jarnskegge fahren?«, fragte er stattdessen. Ein Schatten legte sich auf Guruns fein geschnittenes Gesicht, und er spürte, dass ihre Trauer echt und tief war.
    »Das wäre so wunderbar. Mein Vater aber sagt, dass du nicht in Norwegen bleiben kannst. Er vertraut auf die Macht der Bœndi, aber … Ich weiß nicht. Es gab ein schlechtes Orakel, weißt du … Er hält große Stücke auf deine Kraft, aber er glaubt, dass sie noch wachsen muss.«
    »Aber ich muss doch Olaf umbringen. Wie soll ich das von Heiabýr aus tun?«
    »Er sagt, deine Zeit wird kommen, aber nicht bei den Bœndi. Er will, dass du deinen eigenen Weg gehst, um den Tryggvason zu töten. Ich weiß nicht, manchmal habe ich selber den Eindruck, dass die Nornen Jarnskegge ein schlimmes Schicksal offenbart haben. Dabei wird Olafr ihn und seine Bœndi niemals bezwingen können – nicht ihn, der er stets auf der Hut ist und seine Mannen unter Waffen hält. Ach, Kyrrispörr, ich weiß es nicht! Einzig, dass du warten

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