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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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sollst, bis du bereit bist, das weiß ich.«
    »Aber wo ist Æringa?«, platzte es aus Kyrrispörr heraus. Gurun blieb ihm wieder die Antwort schuldig.
     
    In der Nacht vor der Abfahrt überfiel ihn die Erinnerung mit neuer Wucht. Vor dem Einschlafen hatte er sich wieder mit der Frage herumgequält, weshalb Gurun ihm nichts über Æringa sagen konnte, ob sie nichts wusste oder nichts verraten wollte. Was war mit Æringa? Wo war sie? Wie konnte er sie wiedersehen?
    Als er einschlief, wurde es nur noch schlimmer. Zuerst träumte er, dass Gurun ihm langsam die Decke vom Leib zöge; er sah sich selbst daliegen und schlafen, während sie es tat; er sah, wie ihre schlanken Finger über seine Brust glitten, über den Bauchnabel, ganz langsam; und als sie zugriff, da war plötzlich Æringa an ihrer Stelle, mit dem Gesicht der zornigen Göttin Frigg – Kyrrispörr riss die Augen auf. Er war allein in der Finsternis des Grubenhauses. Erst nach einem Moment begriff er, dass es nur ein Traum gewesen war.
     
    Ehe Kyrrispörr Weiteres herausfinden konnte, lief die Knorr des Ostseehändlers ein. Christian der Kupferne war ein stämmiger Mann aus dem Reich Ottos des Großen, der auf Gotland Erfolg als Händler gehabt hatte, beste Kontakte zu Handelshäusern und Sippen besaß und nun mit einer eigenen Knorr zwischen Norwegen, Gotland, Schweden und Dänemark fuhr. Er stand den Nordmännern an Trinkfestigkeit, und, wie Kyrrispörr wenig später erfahren sollte, auch an seemännischem Können in nichts nach.
    »Du bist also jener junge Magier! Nicht übel, den berühmten Eyvind zum Seelenvater und den Jarnskegge zum Patron! Und du willst nach Heiabýr, hat mir der gute Jarnskegge anvertraut«, sagte er zu Kyrrispörr, als sie am Abend seine Ankunft im Langhaus des Hersirs Egil gebührend feierten. »Gut, wir fahren morgen ab. Der Wind steht günstig, den möchte ich nicht verpassen! Ah, das Meer, wie es mich schon wieder lockt!«
     
    Der Abschied war schnell und schmerzhaft.
    »Wenn du so weit bist«, sagte Gurun und umarmte Kyrrispörr unter vergeblich zurückgehaltenen Tränen, »dann kehre zurück! Du weißt, du wirst meinem Vater Jarnskegge stets wie ein Sohn sein! Kehre zurück, bleibe gesund! Kehre zurück! Ich werde immer auf dich warten!«
    Kyrrispörr löste sich aus ihren Armen und watete zur Knorr hinüber. Der Abschied von Gurun verwirrte ihn; doch es war nicht Gurun, derentwegen ihm schwermütig zumute war. Es war auch nicht der Abschied von Norwegen, denn das Reisen lag Kyrrispörr durch seine Kindheit bei Tryggvasons Flotte im Blut. Es war der Gedanke, Æringa zurücklassen zu müssen, irgendwo hier in einem der Täler mochte sie sein und auf ihn warten, aber er fuhr davon …
    Er konnte nicht anders, er hastete noch einmal zu Gurun zurück. Ihr Gesicht leuchtete vor Glück auf.
    »Ich bitte dich, bitte, wenn du erfährst, wo Æringa ist – sage ihr, ich warte in Heiabýr auf sie! Bitte!«
    Und damit ließ er eine völlig überrumpelte Gurun stehen. Er hörte sie noch verwirrt murmeln: »Æringa ist ja deine Patin … ja …«, dann setzte er über die Reling von Christians Boot.
    »Setz dich dahin, es geht los!«, befahl Christian vom Steuerruder aus und deutete auf eine der vier Ruderbänke. »Lassen wir das Ross des Sturmes über die Wellen springen, dass es eine Lust ist! Und – eins!«
    Die Ruder klatschten im Takt ins Wasser. Kyrrispörr tat es gut, wieder einmal richtig anpacken zu können. Auch wenn er schon nach wenigen Ruderschlägen glaubte, ihm müssten die Arme abfallen.
    Sie glitten durch den Irrgarten aus Schluchten, in dem das Dorf verborgen lag, und erreichten erst die breite Wasserstraße des Hauptfjords und schließlich das offene Meer. Der Wind stand günstig, das Wetter war klar und bot gute Sicht. Christian hatte den Mast aufrichten lassen. Das mächtige Rechtecksegel blähte sich in einer angenehmen Brise und löste sie von ihren Ruderbänken ab. Kyrrispörr verschloss das Ruderloch mit dem Kippdeckel und lehnte sich müßig auf die Reling. Auf Sicht segelten sie an der norwegischen Felsküste entlang, die sich schroff und rau dahinzog. Gelegentlich sah er den Rumpf eines Bootes auf dem flirrenden Spiegel des Meeres, das in einiger Entfernung an ihnen vorbeizog. Möwen steuerten über sie hinweg, suchten mit ihren Augen das Deck nach Essbarem ab und zogen enttäuscht ihrer Wege.
    Christian legte eine Eilfahrt ein: Er hielt an keinem der Orte, die sich zum Handeltreiben angeboten hätten,

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