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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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wollen, dass Olafr hatte herrschen wollen, aber bitter gescheitert war an Jarnskegges eisernem Willen und seiner Voraussicht. Dann legte sich ein Nebel über die Versammlung, das Licht wurde gleißend, und Kyrrispörr verspürte einen Schlaf, der ihm durch die Adern bis in die Fingerspitzen ging; ihm schwindelte, und für einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen. Er war in seinen Körper zurückgekehrt.
     
    Die Vision hatte ihn unerwartet getroffen. Nicht unvorbereitet, aber unerwartet schon. Dass seine Versenkung eine solche Macht entfalten konnte, hatte ihn überwältigt. Während er kaum die Kraft gehabt hatte, wieder zu Ketil zurückzufinden, war endlich die Hoffnungslosigkeit, die ihn seit seiner Ankunft in Heiabýr ständig begleitet hatte, wie weggeblasen. Er war wieder im Vollbesitz seiner magischen Kräfte, mehr noch, die Geister hatten sich stärker seiner angenommen als je zuvor. Die Vision selbst freilich blieb ihm ein Rätsel. Ob das Þing wirklich geschehen war oder nur ein Orakelrätsel, würde sich finden müssen.
    »Seid Ihr ein Magier?«
    Kyrrispörr ließ seine Versenkung abebben und öffnete die Augen. Eine Frau stand vor ihm. Sie hatte einen gramvollen, ja verzweifelten Gesichtsausdruck und zitterte vor Hast am ganzen Körper. Auf ihrem Gewand befand sich in Höhe des Bauches ein großer Schweißfleck.
    »Ihr sucht Hilfe«, sagte Kyrrispörr. »Es ist Krankheit unter Euerem Dach.«
    »Ja, ja, genau! Ihr seid wahrhaftig ein Seher – gut, gut!«, rief sie. »Es ist der Schweiß, er hat ihn und er wird nicht besser! Er stirbt uns weg!«
    »Dann sind üble Geister bei Euch«, murmelte Kyrrispörr und machte eine Geste. »Führt den Kranken zu mir.«
    Hoffnung glomm in den Augen der Frau auf. Sie nickte und machte sich so hastig auf den Weg, dass sie fast über ihre eigenen Füße stolperte. Kyrrispörr verharrte im Gebet und wartete.
    Nach einer Weile wurde ein vielleicht zwanzigjähriger Mann, von zwei Knechten gestützt, herbeigebracht. Er war bleich und so schwach, dass er sich kaum rühren konnte. Die Knechte betteten ihn vor Kyrrispörr auf ein Fell. Eine ältere Frau, deren Gewänder sie als Wohlhabende auswiesen, und ihr Mann traten an Kyrrispörr heran.
    »Wir beten stets zu Oinn und Baldur«, erklärte der Mann.
    »Und nun kämpft Euer Sohn«, erwiderte Kyrrispörr. Das Ehepaar wechselte Blicke; Kyrrispörr war es nicht schwergefallen, sie als Eltern zu erkennen, aber derlei machte immer wieder Eindruck.
    »Er kämpft mit den bösen Geistern, die uns alle zu vernichten trachten. Sagt, seit wann ergeht’s ihm schon so? Kam er von einer Fahrt, als er niederfiel?«
    Wieder wechselten die Eltern Blicke. Kyrrispörr hatte die frisch vernarbten Blasen an den Händen des jungen Mannes gesehen, die ihn lebhaft an seine eigenen erinnerten, als er das erste Mal hatte Tag um Tag rudern müssen, und die Münze, die er um den Hals trug, war englisch – zweifellos in Heiabýr keine Seltenheit, aber als Schmuckstück ungewöhnlich genug, um ein Hinweis auf eine Fahrt zu sein.
    Die Eltern bestätigten, er sei tatsächlich kürzlich von England wiedergekehrt, bald darniedergelegen, und die Kräuter haben ihm nicht helfen können.
    Kyrrispörr hörte sich ihre Geschichte an, nickte und betastete währenddessen prüfend den Kranken. Inzwischen hatte sich eine Traube aus Neugierigen um sie gebildet.
    Schließlich hob Kyrrispörr die Hand. Er streckte den Moment des Schweigens gerade so weit, wie er es wagen konnte.
    »Ich werde nun die Geister aufschrecken«, erklärte er, »und Oinn bitten, Euch zu erhören. Wenn Oinn Eurem Sohn gnädig ist, wird er geheilt werden. Er wird gleich aufstehen und an Euerer Seite nach Hause gehen können. Dann bettet ihn. Opfert eine Ziege noch an diesem Abend, fangt ihr Blut auf und gießt es hier ins Wasser. Schlachtet zwei Hühner, das eine heute, das andere in zwei Tagen, kocht sie und gebt Ei hinzu, und lasst ihn das trinken. So soll es sein.«
    Damit hielt Kyrrispörr die Hände über den Kranken, wandte die Augen gen Himmel und begann so plötzlich mit einem durchdringenden Gesang, dass die Versammelten zusammenschraken; er klatschte vor dem Gesicht des Kranken mehrmals in die Hände, klopfte seinen Körper mit einem Kräuterbündel ab, drückte ihm die Hände in den Bauch, schrie wie unter Qualen auf – und zog einen flachen, schwarzen Stein unter der Linken hervor, aus dem Bauch des Kranken heraus. Er hielt den Stein hoch, dass alle ihn sehen konnten, ohne

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