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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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hervorzuziehen«, raunte sein Gegner, »werde ich dir zuerst dein wertvollstes Stück abschneiden, ganz langsam, das sage ich dir. Und dann töte ich dich.« Der Fuß drückte sein Bein näher an den Trog, sodass die Hitze wehzutun begann. »Hast du das verstanden?«
    »Ja!«, keuchte Kyrrispörr.
    »Schwöre.«
    »Ja, bei Oinn und Þórr, ich schwöre! Ich schwöre! Niemandem hier werde ich Magie wirken! Ich schwöre!«
    Der Druck gegen sein Knie verschwand, und er zog es hastig zurück. Agantyr presste ihm eine Hand auf den Mund, und ein kleines Bällchen wollte sich zwischen Kyrrispörrs Lippen in den Mund schieben. Unwillkürlich biss er die Zähne aufeinander. Seine Nasenflügel blähten sich. Aber schon wurde ihm der Kopf in den Nacken gerissen und die Nase zugehalten – und das Bällchen rutschte ihm in die Kehle, er hustete, aber es wurde von der Hand unerbittlich in seinem Mund gehalten, und er schluckte es hinunter. Er wurde am Schopf gepackt, dass er zu Boden sehen musste, und dicht über den Steinetrog hinweg herumgewirbelt. Ein Faustschlag traf seinen Magen. Ihm blieb die Luft weg. Kurz gewahrte er das graubärtige Gesicht eines alten Mannes, dann war der Magier Agantyr verschwunden.
    Kyrrispörr klappte vornüber und wimmerte leise. Noch während er so verharrte, überkam ihn heftiger Schwindel. Das Talglicht nahm ganz merkwürdige Farben an, und es war, als beginne die Flamme sich zu teilen und bald hierhin, bald dorthin zu wandern; der Wasserdampf wurde zu zäher Watte, wie dichte Spinnenweben, und klebte auch ganz so auf der Haut. Die Schatten wurden zu Fratzen, und Kyrrispörr meinte Hvelps totes Gesicht darin zu erkennen, wie es übergroß auf ihn zuflutete, um im nächsten Augenblick zu zerfließen; dann war da Æringas Antlitz, schön wie ein Sonnenaufgang, und Kyrrispörr wollte geblendet die Augen schließen, aber er war gar nicht mehr in seinem Körper, sondern sah sich selbst leblos auf der Bank liegen, ein Bein abgewinkelt, und glitschig wirkte er wie ein Fisch, er selbst, sein Geist aber schwebte frei im Raum. Plötzlich hatte er Angst, sich mit dem Wasserdampf zu vermischen, der wieder dichter geworden war. Farbkugeln tanzten im Dunkel, näherten sich und gingen wieder auf Abstand, während die Wände und Decke der Hütte sich dehnten und wölbten, so, als atme die Sauna selbst, und der Steintrog war ein glosendes Herz, an dem er verbrennen würde wie eine Motte, wenn er ihm zu nahe käme. Er wunderte sich über seine eigenen langen Glieder und die Glätte seiner Haut, die er plötzlich aus nächster Nähe sah, die Schweißporen, auf denen klare Tröpfchen standen, und dann war da wieder das bunte Geflacker. Ein Pferd galoppierte durch den Raum und der Nebel wogte und wallte und gebar Gesichter und Farben und die Wände dehnten sich – nein, zogen sich zusammen – und ein Fass rollte aus der Decke herab auf ihn und drückte ihm die Luft ab und ein Wirbel aus Regenbogen umfing ihn … und er verlor das Bewusstsein.
     
    Jede Regung tat weh. Das Öffnen der Augen tat weh. In seinem Kopf lag ein schwerer Lehmklumpen, der gespickt war mit Steinsplittern. Sein Rachen tat weh vor Durst.
    Er lag ausgestreckt auf dem feuchten und eiskalten Boden, ein Bein halb auf die Bank gelegt. Durch einen Spalt drang der bleigraue Schimmer des Morgens herein.
    Kyrrispörr versuchte, sich zu erinnern, was am Abend geschehen war. Er erinnerte sich, dass jemand ihn gegen die Wand gestoßen hatte. Was aber geschehen war, er wusste es nicht. Dessentwegen er sich nicht rühren konnte, ohne unter Schmerzen zu stöhnen.
    Und er durfte keine Magie mehr wirken.
    Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag. Sie war fast schlimmer als das Unwissen darüber, was geschehen war. Er durfte nicht mehr als Seimar handeln.
    Nach einer Weile gelang es ihm, sich vom Boden aufzurappeln und sich auf die Bank zu setzen. Alles drehte sich um ihn. Die Schmerzen und sein Kopf lieferten sich einen Wettstreit des Grauens. Er schöpfte Kraft. Keine Magie … und kein Blut. Eyvinds Worte würde er nie vergessen: Nur ein Mal durfte er Blut vergießen, sonst war seine Rache dahin. Kyrrispörr stöhnte. Er langte nach der Kelle, die auf dem Boden lag. Vor Kälte zitterte er jetzt schon am ganzen Körper, aber der Durst war stärker: Das Wasser rann seine Kehle herab wie Feuer und stach ihm wie Eiszapfen in den Magen, dass er sich für einen Moment krümmte.
    Er musste raus, ehe jemand ihn zufällig hier entdeckte. Sein erster Versuch

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