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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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aber im Gesang innezuhalten, wandte sich gegen die Sonne und streckte den Stein ihr entgegen; dann schleuderte er ihn mit einem Schrei in den Himmel. Niemand sah, wie der Stein seine Hand verließ, und niemand sah ihn irgendwo niedergehen, aber als Kyrrispörr die Finger spreizte, waren seine Hände leer. Er wandte sich dem Kranken zu, machte mit beiden Händen eine Geste, als umfasse er sein Gesicht – gut eine Armeslänge über ihm in der Luft – und befahl:
    »Steh auf! Steh auf, solange das Übel gebannt ist, und sammle Kraft, um es zu besiegen, wenn es wiederkommt. Aber diesmal bist du stark! Steh auf, gehe hin mit Oins Segen! So sei es!«
    Als würde Kyrrispörr ihn an einem unsichtbaren Seil emporziehen, erhob der junge Mann den Oberkörper, kam wankend auf die Beine und ging unter den erstaunten Rufen der Menge davon, gefolgt von den überglücklichen Eltern. Als er zwischen den Häusern verschwand und die Menschen sich dem geheimnisvollen Magier zuwenden wollten, war Kyrrispörr verschwunden. Nur einer von ihnen sah nicht ergriffen drein. Er hatte Kyrrispörr nicht aus den Augen gelassen. Aus den Augen, in denen blanker Hass loderte.
     
    Kyrrispörr betrat den kleinen Raum. In der Ecke knackten die Steine. Ein Talglicht flackerte unruhig in seiner Schale auf einem Metallstab. Die anderen Badenden waren bereits fertig: Er hatte gewartet, bis er allein war. Die Beschwörung hatte ihn viel Kraft gekostet.
    In Gedanken versunken, schöpfte er zwei, drei Kellen Wasser auf die Steine und hieß die Hitze willkommen. Geradezu zaghaft begann sein Körper zu schwitzen. Er gab noch eine Kelle Wasser hinzu, dass die Hitze schon wehzutun begann, legte sich mit dem Rücken auf die Bank und starrte in den glimmenden Nebel über sich. Die Ereignisse der letzten Zeit hatten sich überschlagen. Begonnen mit König Olafs Falle, der Flucht mit Eyvind, bei der er mit Hvelp seinen besten Freund verloren hatte, seine Wiedergeburt als Seimar; der Angriff auf Olaf, der so furchtbar fehlgeschlagen war, und hier sah Kyrrispörr Feilans Gesicht, kein anderer als Feilanr hatte sie verraten. Seine brennende Sehnsucht nach Æringa und das Entsetzen darüber, sie im Leben zurückzulassen. Dann erneut die Errettung vor dem Tod, diesmal durch Gurun, ihre liebevolle Pflege und ihre unerwartete Annäherung – Kyrrispörr spürte selbst jetzt noch, wie sein Herz heftiger zu schlagen begann, und sofort überfiel ihn das schlechte Gewissen. Er starrte vor sich auf die Bank.
    Und jetzt?
    Jetzt war er in der sagenhaften Handelsstadt von Heiabýr und kümmerte sich für eine Handvoll Anhänger des alten Glaubens um die Gunst der Götter. Immerhin.
    Er verspürte einen kalten Luftzug, als sich die Tür öffnete und ein anderer die Sauna betrat. Ohne aufzusehen, stand Kyrrispörr auf, um eine weitere Kelle aufzugießen.
    Und plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Schlag traf ihn gegen die Schulterblätter, dass er die Kelle fallen ließ, mit dem Bein den glühend heißen Steinetrog streifte und gegen die Wand taumelte. Sein Kopf wurde gegen die Bretterwand gepresst, dass er nur ein überrumpeltes Japsen hervorbrachte, und dann riss er die Augen in blankem Entsetzen auf: Eine raue Pranke fuhr ihm um die Kehle und drückte zu.
    »Was ist ein Seimar ohne Luft?«, raunte ihm eine Stimme ins Ohr. »Er wird nicht mehr lange unter uns sein, was?«
    Wie um eine Antwort zu erzwingen, ergriff der Angreifer mit der anderen Hand Kyrrispörrs Arm und drehte ihn auf den Rücken. Kyrrispörr schnappte vergeblich nach Luft. Zugleich wurde sein Knie vom Fuß des Fremden zurückgezogen, sodass er die sengende Hitze des Steinetrogs zu spüren begann. In seinem Kopf baute sich ein Druck auf, als wolle er zerplatzen. Etwas Warmes spritzte gegen seine Oberschenkel und rann herab; er hatte Wasser gelassen.
    »Nun?«
    Der Unbekannte lockerte den Griff um seine Kehle ein wenig.
    »Ja! Ja!«, schrie Kyrrispörr panisch. »Was wollt Ihr!«
    Plötzlich ließ der Druck um seinen Hals nach, aber der Fremde drückte ihn mit seinem Körpergewicht so fest gegen die Wand, dass er sich nicht rühren konnte, und verdrehte den Arm noch ein wenig weiter. Er hörte ein Knistern, so, als verglühten Tannennadeln auf den Steinen. Ein intensiver Geruch stieg ihm in die Nase, den er nicht zuordnen konnte.
    »Man nennt mich Agantyr. Ich bin der Magier dieser Stadt. Der einzige Magier! Und der werde ich auch bleiben. Wenn du es wagst, noch ein einziges Mal auch nur einen Runenstab

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