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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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vermischte sich mit den Tropfen des Hafenwassers. Über ihm erschien das Gesicht des Weißhaarigen, der seinen Arm berührte. Im nächsten Moment schoss ihm ein so heftiger Schmerz durch den Leib, dass er sich aufbäumte und den Mund zu einem lautlosen Schrei aufriss. Für einen Moment loderte sein Arm in einem Höllenfeuer, als würde er innerlich verglühen wollen. Der Weißhaarige drückte ihn zurück und legte eine Flasche beiseite, deren Inhalt er über den Arm geträufelt hatte. Dann fühlte sich sein Arm nur noch heiß an, und es wurde erträglich.
    »Au«, murmelte Kyrrispörr schwach. Sein Brustkorb hob und senkte sich schnell, und seine Stirn war schweißnass. Hoch über sich sah er den Gerfalken auf dem Handschuh seines Herrn hocken. Ein grenzenloses Glücksgefühl fegte Schmerz und Entkräftung hinweg.
     
    Am Ufer wurde er gefeiert wie ein Held. Da er sich nicht auf den Beinen halten konnte, wurde er von zwei Knechten unter den Armen gestützt und auf eine Kiste gesetzt. Eine Frau kam herbeigeeilt und rubbelte ihn mit einem Tuch trocken, während eine andere Decken herbeibrachte. Eine Ältere betastete kundig seinen Arm, der ziemlich schlimm zugerichtet aussah, holte Kräuter und ein Tuch und legte einen straffen Verband an. Erst jetzt wurde Kyrrispörr bewusst, dass er in einem ziemlichen Dreckspfuhl geschwommen war, er, der er in den kristallklaren Gewässern des Nordens aufgewachsen war, und sogleich wollte ihm übel werden, aber die nicht enden wollenden Gratulationen der Menschen verscheuchten das Gefühl sogleich.
    »Ich danke dir«, brummte der Weißhaarige. Damit wandte er sich ab und setzte den vorhin so unerwartet unterbrochenen Weg fort, als wäre nichts geschehen. Kyrrispörr nickte. Die Bewunderung aller war ihm Lohn genug.
    Da zuckte er zusammen: Unter den Umstehenden hatte er Agantyr entdeckt. In den Augen des Seimanns loderte es vor Zorn. Kyrrispörr sah hastig weg.
    »Herr Gleill möchte Euch sagen, Euch erwartet bei Hárva Lohn für Euere große Tat.«
    Kyrrispörr sah auf und in das Gesicht des Blonden, der vor dem Weißhaarigen das Boot verlassen hatte.
    Jemand gab ihm Beerenwein zu trinken und ein anderer brachte ihm seine Sachen. Als er sich angekleidet hatte und mit dem Arm in einer Schlinge wieder gehen konnte, klopften ihm alle auf die Schulter.
    Eine Belohnung … Plötzlich wusste Kyrrispörr, was für eine Belohnung er haben wollte: Am liebsten natürlich als Falkner bei Hárva anfangen. Was sicherlich völlig abwegig war, dachte er sich. Der nimmt keinen Dahergelaufenen. Nicht einer wie Hárvar, der mit den edelsten und schönsten Tieren der Welt handelt. Und doch, da war Hoffnung.
     
    Während die Kunde über seine Tat wie ein Lauffeuer durch Heiabýr wanderte – für eine spannende Geschichte war schließlich jeder zu haben – betrat Kyrrispörr mit Herzklopfen den Hof des Hárva. Im Gegensatz zu den meisten Häusern war das seine von einem Zaun eingefasst, der bald bis zum Dachfirst reichte; umso geheimnisvoller erschien es Kyrrispörr, was dahinter wohl auf ihn warten würde. Der Vorhof des Langhauses war überraschend groß. Der Lehmboden war gefegt und glatt. Kyrrispörr entdeckte einen Pflock von der Art, wie sie zum Aufstellen von Falken genutzt wurden, und zwei Recks. Mehrere Riemen und Seile hingen daneben.
    »Was willst du?«
    Ein Knecht von vielleicht fünfzehn Jahren, dessen Gesicht über und über mit Pickeln übersät war, kam auf ihn zumarschiert. »Was willst du!«
    »Ich soll den Herrn Hárva aufsuchen«, erwiderte Kyrrispörr und versuchte dabei, die Haltung eines stolzen Seimanns zu zeigen. Was ihm offenbar nicht überzeugend genug gelang, schon allein dank seiner einfachen Kleidung und dem dick verbundenen Arm.
    »Was willst du vom Herrn?«, wiederholte der Knecht misstrauisch.
    »Ihn sprechen. Führe mich zu ihm, Kerl!«
    »Du siehst aber nicht …«
    »Halt den Mund und führe mich zu ihm!«, fuhr Kyrrispörr ihn an. Der Junge schenkte ihm einen aufsässigen Blick, zuckte mit den Schultern und stapfte ins Langhaus, ohne zu sehen, ob Kyrrispörr ihm folgte.
    Er betrat die übliche große Halle. Da das Dach nicht von außen gestützt wurde, flankierten zwei Reihen aus Stützpfosten die Feuerstelle in der Mitte. Zur Linken lagen die Schlafnischen, während rechts Holztruhen und Hocker standen. Überall hing Gerät, das Kyrrispörr von der Falknerei her vertraut vorkam. Der Junge ging an der Feuerstelle vorbei in die hinteren zwei Drittel des

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