Die Magie des Falken
Langhauses, die mit einer Bretterwand und einer mit einem Kastenschloss versehenen Holztür vom Wohnraum abgetrennt worden waren. Außer einer großen Kiste für die Hühner standen überall Recks und Pflöcke. Darauf thronten, an Langfesseln gebunden, Falken und Adler. Sie standen in Gruppen oder waren mit Flechtmatten von den anderen abgeschirmt, und alle drehten sie neugierig die Köpfe, als Kyrrispörr hereinkam. Ein Knecht war gerade damit beschäftigt, Tonschalen mit frischem Wasser zu befüllen.
Der Junge schritt zwischen den Vögeln hindurch, als wären sie Luft. Kyrrispörr dagegen war begeistert. Er sah Lannerfalken und kräftige Saker aus dem Süden; mehrere Wanderfalkenweibchen; zwei Habichte, die den Eindruck erweckten, jeden Augenblick vor Kraft explodieren zu müssen, wie es ihre Art war, und einen kleinen Sperberterzel, der sich reckte und streckte und mit roten Augen nach einem Opfer suchte und von einem handgroßen Baumfalken abgeschirmt wurde.
Der Junge verschwand hinter einem Vorhang, und als Kyrrispörr ihm folgte und durch die Tür dahinter ging, betrat er einen geräumigen Hinterhof. Sein Herz machte einen erfreuten Sprung, als er den schneeweißen Gerfalken dasitzen sah. Ein kräftiger Mann mit vollem, graumeliertem Haar steckte ihm gerade Atzung in den Schnabel. Er hielt respektvollen Abstand.
»Ah«, sagte er, als er Kyrrispörr bei der Tür sah. »Ihr seid also der, der diesen König unter den Falken gezähmt hat, habe ich recht?«
»Ich habe ihn aus dem Hafen geholt, ja«, sagte Kyrrispörr. Der Graumelierte schenkte dem dicken Verband an seinem Arm einen Blick.
»Und erstaunlich erfolgreich wart Ihr dabei. Dieser Vogel ist ein Wildfang. Schön, aber kaum abgetragen! Selbst aufgebräut ist es ein Wunder, dass er Euch nicht zerpflückt und das Weite gesucht hat. Wie ich sehe, könnt Ihr Euere Hand ja sogar noch gebrauchen.«
»Nur Kratzer«, murmelte Kyrrispörr.
»Wohl, das sehe ich. Man sagt, Ihr würdet gut mit den alten Göttern stehen?«
Kyrrispörr warf unsicher einen Blick auf das silberne Kreuz, das vor der Brust des Mannes baumelte.
»Ich … Ich weiß nicht«, murmelte er. Es war ihm, als beobachte ihn Agantyr selbst jetzt, und er traute es dem Magier durchaus zu, hinter den Augen eines Tieres zu lauern. Wenigstens Mäuse und Tauben konnten ihm hier unter stets jagdbereiten Greifen nicht als Spione dienen. Und dennoch. Der Mann schenkte ihm einen prüfenden Blick, dann streifte er den Handschuh ab und trat einen Schritt von dem Gerfalken zurück.
»Er frisst kaum. Was meint Ihr?«
»Er … Er braucht Ruhe«, sagte Kyrrispörr. »Dunkelheit und Ruhe, nach der Aufregung.« Er hielt erschrocken inne, in der Furcht, vielleicht zu vorlaut gewesen zu sein.
»Ganz recht! So denke ich auch. Kommt nur her und seht ihn Euch an!«
Kyrrispörr trat vorsichtig näher. Hárvar hatte die Fäden gelöst, und der Falke sah Kyrrispörr aus großen, tiefen Augen an.
»Einzigartig, nicht wahr?« Hárvar lächelte, als wäre ihm gerade eine Idee in den Sinn gekommen. »Sagt mir, fällt Euch etwas auf, was so nicht sein dürfte?«
»Überschnabel«, schoss es aus Kyrrispörr heraus. Der Vogel war vollkommen, nur das eine, das war ihm bei der Rettung aufgefallen: Der Reißhaken am Schnabel war viel zu lang.
Hárvar sah ihn ehrlich erstaunt an.
»Ja! Ganz recht. Augenscheinlich ist dieser Vogel nicht in so kundigen Händen gewesen, wie er es verdient gehabt hätte! Mir scheint, nicht allein Euer Kontakt mit den Göttern trägt Schuld an der Errettung dieses Islandgers. Es ist wohl auch die Kenntnis des Fachs? Sollte es das sein, bei dem Gehilfen eines Sklavenhändlers? – Doch sagt mir, wie richtet man einen solchen Schnabel?«
»Ich würde ein scharfes Messer nehmen und ihn von oben nach unten vorsichtig schälen«, erklärte Kyrrispörr, der auf einmal ganz aufgeregt geworden war. »Nur darauf achten muss man, nicht ins Leben zu schneiden.«
»Und wie haltet Ihr den Falken?«
»Aufgebräut und in eine Decke geschlagen. Straff zugezogen muss sie aber sein! Sonst verletzt sich der Vogel.«
Hárvar klatschte begeistert in die Hände.
»Junge, wer bist du?«, fragte er. »Ein Knecht gewiss nicht!« Und so drängte er Kyrrispörr zu erzählen. Dass er ein Seimar war, verschwieg Kyrrispörr.
»Falkner bei Olaf Tryggvason! Wer hätte das gedacht! Ich rede sofort mit Ketil, du bleibst selbstverständlich bei mir und hilfst mir mit den Vögeln! Wenn das dein Wunsch ist, versteht
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