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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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Ihm fuhr ein eisiger Schreck durch die Glieder, als plötzlich jemand seine Haare packte.
    »Du hast deinen Schwur vergessen.« Mitten in der Bewegung erstarrte Kyrrispörr. Das war Agantyrs Stimme. Kyrrispörr roch seinen nach Wein stinkendem Atem. Jetzt stieg ihm ein weiterer Geruch in die Nase, den er nicht zuordnen konnte, den er dennoch irgendwoher kannte und der in ihm merkwürdigerweise ein Gefühl der Panik weckte. »Aber die Geister haben mich gut unterrichtet. Du warst gewarnt worden. Ich bin ihr Diener in dieser Stadt, und kein anderer. Du hast wieder Magie gewirkt.«
    »Nein, nein! Wo denn!«, stieß Kyrrispörr hervor.
    »Du hast den Falken bezaubert. Niemals wäre er sitzen geblieben. Und niemals hätte er sich von dir halten lassen, ohne Handschuhe und in deiner Lage.«
    »Aber ich schwöre, ich schwöre!«, brachte Kyrrispörr hervor. »Huginn und Munnin sind zu mir gekommen und …« Weiter kam Kyrrispörr nicht. Sein Kopf wurde grob nach unten gedrückt. Das Geräusch eines Messers, das aus einer Scheide gezogen wurde, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    »Ein Ruck, Junge. Ein Ruck, und du bist deiner Würde verlustig, auf immer.«
    Kyrrispörr wagte nicht zu atmen. Seine Augen zuckten wild umher.
    »Ein letztes Mal lasse ich Gnade walten, weil Óinn deine Tat gutgeheißen hat. Du hast ihm die Pflicht erfüllt, die seine Raben dir auferlegt haben. Aber das nächste Mal …« Er verpasste Kyrrispörr einen Hieb mit dem Knauf des Messers, dass er zusammenfuhr, ließ von ihm ab und verschwand im Nebel.
     
    Der Alltag ging weiter. Hárvar hatte Kyrrispörr einen Kittel aus feinem Stoff geschenkt, damit er beim Handeln gut auftreten konnte. Das Feilschen forderte seine ganze Aufmerksamkeit ab, so wie jetzt, wo ein Händler namens Heinrich, Lieferant deutscher Fürsten, ihm einen kleinen Sack reichte. Kyrrispörrs Augen leuchteten auf, als er den Sack öffnete und das hellbraune Pulver darin glänzen sah.
    »Und, mag das wohl genügen?«, fragte der Heinrich und grinste. Mit der Messerspitze angelte Kyrrispörr einen Krümel heraus und kostete. Ein seliges Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. Dann fasste er sich wieder und zog den Sack zufrieden zu, um ihn mit sachlicher Miene in der Hand zu wiegen.
    »Ich denke, da könnt Ihr Euere Schlechtfalken getrost hocken lassen. Der Saker dort hinten, der würde mich interessieren.«
    Er ging an den Wanderfalken vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und musterte fachmännisch den großen, braun gefiederten Vogel.
    »Ja, der soll es sein. Wenn er so gut fliegt, wie es sein soll!«
    Kyrrispörr nickte.
    »Ich bringe Euer Säckchen dem Hárva«, sagte er. »Ich bin gleich da.«
    Hárvar war durchaus angetan von der Ware. »Nimm noch einen Fünfstern Silber von ihm. Dann soll er den Saker haben«, erklärte er und schob ein pflaumenkerngroßes Gewicht mit fünf Punkten darauf vor sich.
    Als Kyrrispörr wieder zu den Falken zurückkam, da war der Mann schon ganz in die Prüfung der Vögel vertieft, begutachtete mit schnellen, geübten Griffen die Schwungfedern und den Stoß und blickte dem Vogel in den Schnabel.
    »Nun, wollen wir?«, fragte Kyrrispörr. Der Mann nickte. Kyrrispörr zog einen Handschuh aus dem Gürtel, nahm ein Stückchen Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger, löste die Langfessel und ließ den Saker beireiten. Sie begaben sich auf die Heide vor der Stadt. Er zog mit der freien Hand das Federspiel hervor und ließ den Saker mit einem Pfiff gen Himmel steigen. Für einen Augenblick war es ihm, als fliege er seinen geliebten Laggar. Aber Laggar war nie so steil aufgestiegen, sondern hatte es sich nicht nehmen lassen, eine Ehrenrunde zu drehen. Der Saker schoss wie ein Pfeil von ihnen weg und über den Wall, wo er als winziger Punkt beidrehte und auf Kyrrispörrs abermaligen Pfiff zurückgeschossen kam.
    Nach drei sauberen Durchgängen, in denen der Saker rasant herbeigeflogen war, aufgesteilt hatte und zwar weit weniger elegant als Laggar, dafür aber mit umso mehr Wucht rundgeholt hatte, ließ Kyrrispörr ihn auf das Federspiel niedergehen und seine Belohnung verzehren. Der Heinrich ging auf den Vogel zu und zog ihn grob vom Federspiel weg.
    »Seid vorsichtig! Ihr verschreckt ihn!«, entfuhr es Kyrrispörr.
    Der Mann drehte sich zu ihm um und sah auf ihn herab.
    »Ihr wollt mich wohl kaum über das Falknern belehren, was, Kerl?«
    Kyrrispörr merkte, wie eine Ader an seinem Hals zu pochen begann, aber er senkte nur den Kopf.

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