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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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sicher sein. Kyrrispörr sah feine Winterwolfsfelle und dichte Elch- und Rentierdecken.
    Er war wie elektrisiert. Das bedeutete, dass das Schiff aus dem Norden kam, und somit nicht nur Ware brachte, sondern auch das, was für ihn von weit größerem Wert war: Neuigkeiten. Es dauerte allerdings eine geraume Weile, bis er zu dem Händler und seinen Knechten vordringen konnte. Der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht saß auf einem Fass und ließ es sich gefallen, manchen Willkommenstrunk angeboten zu bekommen, denn so durstig er von der Fahrt auch sein mochte, mindestens so stark dürstete es die Heiabýrer Bürger nach Neuigkeiten, nach den langen Wintertagen, während deren kein fremdes Gesicht sich hatte sehen lassen.
    Doch mehr als in allen anderen brannte die Wissensgier in Kyrrispörr. Bebend vor Ungeduld, wartete er darauf, dass die Sprache auf Norwegen kam.
    »Ja, Þrándheim ist noch unter Eis«, sagte der Händler, und Kyrrispörrs Herz tat einen Sprung.
    »Wie steht es um Tryggvason?«, rief er, ehe das Thema gewechselt werden konnte.
    Der Händler sah kurz zu ihm hin.
    »Er bringt weiter das Christentum über den Nordweg«, sagte er achselzuckend. Doch dann glomm ein Funke in seinen Auen auf: Offenbar bot sich da noch eine spannende Geschichte an, die seine Zuhörer zu fesseln versprach. Kyrrispörr merkte, dass er vor Erwartung mit den Händen an seinem Kittel nestelte.
    »Er hat Hlair bekehrt, das habt ihr ja sicher im letzten Jahr gehört. Nur an Jarnskegge und seinen Bœndi ist er in Niaros gescheitert. Nun, das ist jetzt auch vorbei.«
    »Wie meint Ihr?«, hakte Kyrrispörr nach.
    »Nun, er hatte mit Jarnskegge ein Þing in Mæri vereinbart, wenn ich mich nicht irre. Jedenfalls, der alte Fuchs von einem Olaf – die Bœndi sind wieder in Waffen gekommen, wie in Niaros, aber das hat er vorhergesehen.« Der Händler leerte den Tonbecher in seiner Hand mit einem Zug und schmatzte genüsslich mit den Lippen. Er genoss die gespannten Blicke der Zuhörer sichtlich. Nachdem ihm ein voller Becher in die Hand gedrückt worden war, fragte einer:
    »Gab es eine Schlacht?«
    Der Händler grinste und schüttelte den Kopf.
    »König Olafr ließ sich zum Tempel des Þórr führen. Die Bœndi hatten von ihm verlangt, ihre Sitten zu achten – der alte Fuchs tat also so, als wolle er tatsächlich in Þórrs Heiligtum. Nun, da ist er auch hineingegangen, zusammen mit dem Jarnskegge. Stellt euch vor, was dann geschah.« Er nahm einen Schluck. »Also, kaum waren sie drin, hat er seine Axt genommen und Þórr selbst entzweigehauen. Danach hat er den Jarnskegge gespalten, von Kopf bis Fuß einmal durch!« Er machte eine Hackbewegung mit der ausgestreckten Hand.
    Kyrrispörr aber erstarrte.
    »Jarnskegge ist tot?«, entfuhr es ihm.
    »Und seine getreuesten Männer mit ihm. Ohne ihn waren die Bœndi führerlos – sie haben Olaf ihre Söhne als Geiseln gegeben und sind nun alle gute Christen. Für uns Händler war das freilich …«
    Die Stimme des Mannes erreichte Kyrrispörr nur noch wie aus weiter Ferne. Eine Eiseskälte breitete sich in seinem Körper aus. Er bekam kaum mehr Luft. Jarnskegge war tot.
    »Und wisst ihr, was Olafr dann getan hat?«, hörte er den Händler wie durch einen Vorhang aus Eiskristallen. »Damit ihm die Bœndi auch treu blieben, hat er ihnen nicht nur ihre Söhne genommen. Nein, er hat die Tochter vom Jarnskegge zur Frau genommen!«
    Kyrrispörr stieß einen erstickten Schrei aus. »Gurun?«
    Die Menschen sahen verwirrt zu ihm herüber. Aber Kyrrispörr sah nur, wie sich der Kopf des Händlers scheinbar unendlich langsam hob und in einem Nicken wieder senkte. Er lief nach Hause und warf sich auf sein Lager.
     
    Im Finsteren erwachte er. Irgendwo vor ihm hing der Glanz zweier Augen. Die Schwärze ballte sich zusammen und nahm die Gestalt eines riesenhaften Rabenkopfes an. Kyrrispörr meinte, die Spitze des Schnabels dicht vor seinem Gesicht zu spüren.
    »Ich habe doch alles getan«, hauchte er. Der Rabe fixierte ihn weiter aus seinen kalten schwarzen Augen. »Im Winter konnte ich doch nicht nach Norwegen! Niemand konnte das!« Der Rabe blieb reglos. »Ich habe doch nicht freiwillig gewartet!« Kyrrispörr schrie jetzt fast. »Bei Oinn, lieber heute als morgen möchte ich Olaf den Schädel einschlagen!« Immer noch keine Reaktion. Kyrrispörr bäumte sich auf. »Ich bin kein Feigling! Ich habe keine Angst um mein Leben! Ich will, dass Olafr stirbt! Gib ihn mir! Ich bin schon lange

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