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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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auf. Sein Kopf tat weh. Was er geschaut hatte, war kein Traum gewesen. Huginn – er wusste, es war Huginn – hatte ihm gezeigt, wie Olafr Bœndi bekehrt hatte, auf jene Art, die Kyrrispörr selbst oft genug miterlebt hatte, als er noch zu Olafs Gefolge gehört hatte. Auf die gleiche Weise, als Geisel, war auch Hvelpr zum Gefolge gekommen. Es versetzte Kyrrispörr einen Stich. Hvelpr, der nun tot war …
    Er fragte am Hafen nach Neuigkeiten zu König Olaf, und wirklich sagte man ihm, er bekehre die norwegische Küste und habe schon viele Bœndi zu Þrándheim auf seiner Seite. Wann immer Boote aus Norwegen in Heiabýr anlegten, erkundigte er sich nach Olaf Tryggvason und nach Æringa, aber während es zu ersterem immer etwas Neues gab – häufig Seemannsgarn, wie Kyrrispörr vermutete –, kannte niemand das Mädchen. So vergingen die Wochen, und Kyrrispörr war hin- und hergerissen zwischen Euphorie, wieder Magie wirken zu können, und der Ratlosigkeit, wie weiter vorzugehen sei.

Eis bringt Einsamkeit
    Als einer der Ersten war Kyrrispörr am Steg. Hárvar sah es gern, denn so konnte er sich ganz darauf verlassen, alles, was einen Reißhakenschnabel und Federn hatte, als Erster zum Kauf angeboten zu bekommen. Kyrrispörr jedoch sog die Neuigkeiten begierig in sich auf. Wie ein Bussard auf dem Ansitz lauerte er, verfolgte Olaf Tryggvasons Weg durch Norwegen: Olafr zerstörte einen heiligen Þórrshain in Þrándheim. Olafr baute das Schiff Tranann. Olafr lockte durch eine sagenhafte Intrige zwei mächtige Männer in die Falle. Olafr plante, nach Halogaland zu fahren, um dort die Frohe Botschaft zu verbreiten.
    Und dann riss der Strom der Nachrichten ab – es wurde Winter. Schon im Herbst stand der Wind ungünstig zum Einfahren in die Schlei, und als der Frost kam, kam der Schiffsverkehr endgültig zum Erliegen. Langsam hatte sich Heiabýr entvölkert: Nur, wer hier seinen festen Sitz hatte, blieb zurück. Die Händler und Reisenden zogen fort. Anstelle des vormals bunten Treibens bot sich die Stadt nun grau und verödet dar. Wo Kyrrispörr ständig hatte zur Seite treten müssen, wo einer Modenschau gleich wundersame und merkwürdige Gewänder und Mützen auf fremdartigen Köpfen zur Schau getragen worden waren, lagen jetzt nur mehr vereiste Holzbohlen und mit Schnee vermengter Schlamm. Wenn Kyrrispörr sich die kalten Hände oben auf dem Schutzwall warm rieb, blickte er über ein trostloses Bild graubrauner Heide, bis es schneite und das endlose Weiß in den Augen stach. Die Vögel hockten in dem Langhaus auf ihren Recks, Julen und Blöcken, plusterten das Gefieder und ließen sich vollkröpfen, gaben aber deutlich zu verstehen, dass sie darüber hinaus nichts mit Menschen zu tun haben wollten. Die Zeit wurde lang. An Brennholz musste gespart werden, da nicht bekannt war, wann die nächste Ladung Heiabýr erreichen würde; wenn man nicht schlief oder den spärlichen Pflichten nachkommen musste – zu denen inzwischen auch die Mäusejagd für die Falken gehörte, – versuchte man, sich mit Brett- und Würfelspielen von Kälte und Hunger abzulenken. Hárvas Frau Vigtis begann Kyrrispörr zu allem Überfluss mehr und mehr an den Nerven zu zehren. Kaum älter als er, meinte sie doch stets, das große Wort führen zu müssen und altklug über Dinge zu reden, von denen sie ganz offensichtlich nichts verstand.
     
    So war es eine Wohltat, als ein erstes laues Lüftchen Hoffnung herbeiwehte. Langsam begann auch das Eis zu schmelzen. Kaum dass die Schlei wieder befahrbar geworden war, hörte Kyrrispörr gegen Mittag aufgeregte Rufe vom Hafen her. Nach der langen Winterszeit, in der er nur als Tummelplatz für Kinder und Erwachsene auf dem Eis gedient hatte und nach dem Wärmerwerden ganz den Enten überlassen worden war, fiel das sofort auf. Neugierig legte Kyrrispörr die Geschühriemen beiseite, die er gerade für einen Wanderfalken zurechtschnitt, und ging aus dem Haus. Die kalte, aber gegen die verräucherte Halle ungemein frische Luft belebte ihn. Beim Hafen hatten sich einige Menschen am Hauptsteg versammelt. Die Ursache für ihre Aufregung war nicht zu übersehen: Das gereffte Segel eines Lastschiffs ragte über ihren Köpfen auf. Ein Kapitän hatte es besonders eilig gehabt, nach Heiabýr zu kommen – der erste Fernhändler seit Beginn des Winters. Sein Wagnis machte sich bezahlt: Denn was er an Fellen von Bord schaffen ließ, konnte sich der ungeteilten Aufmerksamkeit fast aller Händler der Stadt

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