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Die Magie des Falken

Die Magie des Falken

Titel: Die Magie des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruben Philipp Wickenhaeuser
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brummte er.
    »Leute?«
    »Sie sagen, sie wollen den Magier des heiligen Falken sprechen. Ich hab sie fortgejagt, aber sie kommen immer wieder. Geh mal schauen, was die wollen!«
    »Gleich.«
    Der Knecht buckelte in ganz ungewohnter Unterwürfigkeit und schenkte ihm einen Blick, in dem sich so etwas wie Ehrfurcht und Angst vereinte. Kyrrispörr zog das Geschüh fest, überzeugte sich davon, dass der Falknerknoten am Reck festsaß, und klemmte sich den Handschuh unter den Gürtel, während er zum Eingang ging. Dort stand der Knecht mit einem Knüppel und versperrte einer kleinen Menschentraube den Weg. Kyrrispörr schob ihn zur Seite.
    »Was ist?«
    Die Menschen sahen ihn ehrfurchtsvoll an.
    »Herr«, sagte eine ältere Frau mit energischem Gesichtsausdruck, »Ihr habt den Neffen meines Bruders gesund gemacht. Jetzt heilt meine Tochter!« Sie schob ein vielleicht sechsjähriges Mädchen vor, das bleich war wie altes Leinen und sich kaum auf den Beinen halten konnte.
    »Und meinen Großvater!«, meldete sich eine junge Frau. Ehe die anderen auch noch ihre Forderungen präsentieren konnten, hob Kyrrispörr die Hände.
    »Kommt morgen wieder«, rief er, da ihm nichts Besseres einfallen wollte. »Heute ist nichts mit Magie!«
    Ehe die Menschen etwas entgegnen konnten, war er ins Innere des Hauses geflüchtet, mit der Anweisung: »Scheuch sie weg!«
    »Du hilfst ihnen nicht?«, fragte Æringa erstaunt, die der Hausherrin beim Weben zur Hand ging.
    »Ich weiß gar nicht, was die von mir wollen«, erwiderte Kyrrispörr.
    »Aber Kyrrispörr, es ist doch unsere Pflicht, unseren Mitmenschen zu helfen!«, wandte Æringa ein. »Gott erwartet das von uns!«
    »Welcher Gott?«, fragte Kyrrispörr verdattert, der davon ausging, Æringa meine Oinn oder Baldr oder Frigg.
    »Na, der eine!«
    »Du willst nicht sagen, dass du Christin geworden bist?«
    Jetzt war er fassungslos. Æringa aber nickte. »Als ich bei Olaf Magd war, hat ein Priester mir die Augen geöffnet. Für die Botschaft der Liebe!«
    »Ein Priester. Aus Olafs Gefolge. Für die Liebe. Du meinst aber schon Olaf Tryggvason«, vergewisserte sich Kyrrispörr.
    »Natürlich. Ich wünsche so sehr, dass du wenigstens die Prima Signatio annimmst. Sogar Hárvar trägt das Kreuz um den Hals!«
    Kyrrispörr wusste inzwischen, dass die Primsegnung guter Brauch in Heiabýr war, schon weil sie keine Taufe darstellte, aber die Geschäfte mit Christen erleichterte. Æringas Glaubensbekenntnis hatte ihn jedoch derart aus heiterem Himmel getroffen.

Die alte Rechnung
    Noch immer wunderte er sich, als ein Junge gegen Abend herbeigerannt kam und ihm eine Nachricht überbrachte.
    »Ein hoher Herr erwartet dich im alten Speicher am Hafen! Du sollst gleich kommen. Es geht um einen Schneefalken!«
    Das Kornhaus lag abseits der Landungsbrücken, wurde nur selten genutzt und bot sich daher vorzüglich für Geschäfte an, die ohne viel Aufsehen abgewickelt werden sollten. Das klang ganz nach einem Boten des Königs. Warum aber die Heimlichtuerei? Der König musste etwas sehr Wichtiges mit ihm zu besprechen haben.
    Also warf er sich in Schale. Angekleidet mit dem feinen Kittel und dem Mantel, dazu den hohen Lederschuhen, der Kleidung, die er von Hárva für wichtige Geschäfte bekommen hatte, machte er sich bereit.
    »Ich möchte dich begleiten«, sagte Æringa.
    »Bis zum Hafen«, nickte Kyrrispörr. »Treffen muss ich mich allein mit dem Boten.«
    »Du glaubst, es ist ein Bote?«
    »Ja. Warum sonst die Geheimniskrämerei? Vielleicht kommt der König der Dänen bald her, und es soll noch niemand erfahren …«
    »Der Vogel war wahrlich prächtig genug, dass ich das glauben mag«, stimmte Æringa ihm zu, und ihre Augen leuchteten. »Wie er wohl aussieht, der große Sveinn Tjúguskegg? Man sagt, die Güte ließe sein Antlitz leuchten selbst in der Finsternis …«
    Kyrrispörr versorgte Laggar, ehe er sich auf den Weg machte. Die abendliche Sonne warf bereits Schatten in die Gassen; das Scheppern von Werkzeug, das zusammengeräumt wurde, letzte Unterhaltungen auf den Straßen, malten die Kulisse der aufziehenden Nacht. Wo ein Weg von West nach Ost die Häusergruppen teilte, hatte sich goldener Abendschein über die Bohlen der Hauptstraße gelegt, scharf durch Hausschatten abgegrenzt, wie mit einem Messer gezogen.
    »Wir müssen uns eilen, vor der Dunkelheit wieder heimzukommen«, sagte Æringa. Kyrrispörr wies auf zwei Rohhautlaternen, die er in der Linken hielt. Er war viel zu aufgeregt, um etwas

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