Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
diesem Punkt war es heute Abend schiefgelaufen. Jetzt trottete er allein durch die Nacht, und zu allem Überfluss braute sich ein Gewitter zusammen!
Verdrossen trat er mit dem Fuß in eine Pfütze, das Wasser spritzte mehrere Schritte weit. Egal, er war ohnehin nass bis auf die Knochen.
Nicht immer musste er so großen Aufwand betreiben. Meist genügten seine Jugend, sein Charme und ein paar geistreiche Worte, um eine Frau zu erobern. Dass er so viele vergebliche Anstrengungen unternommen hatte, brachte ihn noch mehr in Zorn. Was für ein selbstsüchtiges Miststück, dachte er. Keine andere Frau mit auch nur etwas Einfühlungsvermögen hätte ihm in einer solchen Nacht ihr Bett verweigert! Irgendwie belustigte ihn seine schlechte Laune trotz allem.
Bei einer Dirne zu übernachten, kam nicht in Frage. Seine wilden Zeiten waren ein für alle Mal vorbei, auch wenn er immer noch ein paar Freundinnen in der Gilde der Drei Schritte hatte.
Den Zirkuswagen hatte Barle bestimmt schon verrammelt, und es wäre ungefährlicher, unter freiem Himmel zu übernachten, als Barle aufzuwecken, der mit zunehmendem Alter immer griesgrämiger wurde. Blieb nur noch eine Herberge, doch Reyan fand, dass er für den Abend genug Geld ausgegeben hatte. Er hatte eine bessere Idee.
Trotz ihrer ewigen Streitereien konnte Mess seinem Cousin die Gastfreundschaft für eine Nacht nicht verwehren. Vor allem, wenn er ihm vor Augen hielt, dass das Haus immer noch ihnen beiden gehörte; schließlich hatte jeder eine Hälfte von ihrer Großmutter geerbt. Bei dem strömenden Regen hatte er ausnahmsweise nichts dagegen, ein Kercyan zu sein. Bei dem Wetter hätte er sich als sonst wer ausgegeben!
An einer Kreuzung blieb er stehen. Nach links oder geradeaus? Obwohl er seine ganze Kindheit in Lorelia verbracht hatte, war er einen Moment lang unschlüssig. Allerdings pflegte er auch mit Vorliebe Abkürzungen zu nehmen und tief in das Labyrinth der schmalen Altstadtgassen einzutauchen. Er hatte seine Ortskenntnis der größten Stadt der bekannten Welt wohl etwas überschätzt.
Kurz entschlossen lief er geradeaus und stieß kurz darauf auf den Platz der Käserei. Glück gehabt! Zum alten Familienhaus in der Geldwechslerstraße war es nun nicht mehr weit. Er musste nur nach dem Platz des Pferdchens links abbiegen.
Ein langer Blitz zuckte über den Himmel, und gleich darauf krachte der Donner. Reyan beschleunigte seine Schritte.
Endlich stand er vor dem Haus. Es war groß und alt, viel zu alt. Sein Ururgroßvater, dessen Namen er trug, hatte es mehr als ein Jahrhundert zuvor gekauft, und schon damals war es alt gewesen. Für den jungen Schauspieler versinnbildlichte das Haus den Niedergang der Familie Kercyan, mit dem man ihm in seiner Kindheit ständig in den Ohren gelegen hatte. Heute Abend stand es allerdings für ein Dach über dem Kopf und ein warmes Bett.
Schwierig würde nur werden, ins Haus zu gelangen, ohne Mess aufzuwecken. Sein Cousin wäre durchaus in der Lage, ihn draußen stehen zu lassen, und ihm waren für heute schon genug Türen vor der Nase zugeschlagen worden. Deshalb verzichtete er lieber auf die Erlaubnis seines Cousins, in seinem eigenen Haus zu übernachten.
Er würde einfach denselben Weg wie früher benutzen. Damals war er häufig ohne das Wissen seiner Großmutter aus dem Fenster geklettert, um durch Spelunken und zwielichtige Schänken zu ziehen und das lorelische Nachtleben zu genießen. O ja, das waren wilde Zeiten gewesen.
Er kletterte auf die niedrige Mauer. Sie umgab den Innenhof, dessen Tor zur Köhlerstraße führte. Früher hatte Baron, ihr Hund, den Hof bewacht, und Reyan hatte sich sein Schweigen jedes Mal mit einem Leckerbissen erkaufen müssen, aber nun konnte jeder in den Hof gelangen. Die Unvorsicht seines Cousins ärgerte ihn, auch wenn sie ihm heute Abend das Leben erleichterte.
Das schwierigste Stück lag noch vor ihm. Er musste wie ein Seiltänzer die Mauer entlangbalancieren, um zum Balkon vor dem Saal im ersten Stock zu gelangen. An mehreren Stellen waren Eisenstäbe und kleine Wasserspeier in die Mauer eingelassen, um solche Kletterpartien zu verhindern. Normalerweise waren sie kein ernst zu nehmendes Hindernis, aber ausgerechnet in dieser Nacht musste es natürlich regnen, und die Steine waren rutschig.
Reyan war nur ein einziges Mal hinuntergefallen, und zwar an einem Tag, als er nicht nur wie üblich sturzbetrunken gewesen war, sondern obendrein die getrockneten Wurzeln einer Pflanze aus den Unteren
Weitere Kostenlose Bücher