Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
Dann ging er nach oben.
Es war bereits helllichter Tag. Die Erben waren vor dem Stall zusammengekommen, um Létis zweiter Kampfstunde beizuwohnen. Sie wirkten überhaupt nicht verschlafen, so als wären sie schon lange wach.
Die Stimmung war sehr viel ausgelassener als am Vortag, und selbst Corenn schien sich zu amüsieren, obwohl sie immer noch Bedenken hegte.
Alle begrüßten Yan, und der Unterricht ging weiter. Léti und Grigán standen einander gegenüber. Die junge Frau war mit einem Ast bewaffnet, Grigáns Hände waren leer. Der Krieger versuchte, Létis Holzschwert auszuweichen und sie irgendwo am Körper zu berühren. Corenn, Bowbaq und Rey feuerten die beiden abwechselnd an oder buhten sie aus.
»Habe ich viel verpasst?«, fragte Yan und rieb sich die Augen.
»Sie haben gerade erst angefangen.« Corenn lächelte. »Sie haben sich darüber gestritten, ob Léti mit einem echten Schwert üben darf. Wie du siehst, hat sich Grigán durchgesetzt, aber leicht hat sie es ihm nicht gemacht.«
»Schade, dass hätte ich gerne miterlebt. Ich habe schlecht geschlafen. Ich habe die ganze Nacht Münzen gesehen.«
»Das ist normal«, sagte die Magierin mit gesenkter Stimme. »Stell dir vor, du trainiertest einen erschlafften Muskel. Eine Zeit lang wirst du eine Art ›Muskelkater‹ im Kopf haben. Das ist ein gutes Zeichen.«
Yan nickte und versuchte, sich darüber zu freuen. Das war ja alles schön und gut, aber auf den hämmernden Kopfschmerz konnte er gut verzichten.
Er nahm sich von dem Zwieback, den Rey aus Rajis Lager stibitzt hatte, und machte es sich auf einem Strohhaufen gemütlich, um das Spektakel zu genießen.
Léti war hochkonzentriert. Diese Übung war das Gegenteil der gestrigen: Grigán griff an, und sie verteidigte sich. Die Umstände erinnerten sie an ihren Kampf gegen die drei Schurken auf der Insel. Die Kerle hätten sie mit Vergnügen getötet. Beim nächsten Mal würde alles anders sein.
Grigán vermied jede unnötige Bewegung, schlich geschmeidig um Léti herum und täuschte hin und wieder einen Angriff vor.
Vier Mal gelang es ihm, sie in die Irre zu führen, indem er einen Schritt nach links machte und dann von rechts angriff. Die junge Frau hielt ihn mit dem Ast auf Abstand. Beim fünften Mal machte Grigán einen Schritt nach links, tat abermals so, als wollte er von rechts angreifen, und näherte sich ihr dann in einer doppelten Finte von links. Er schnellte vor und tippte der überrumpelten Léti auf die Schulter.
»Gleichstand«, sagte er mit Genugtuung.
»Pfui! Grigán schummelt!«, rief Rey, der alles andere als unparteiisch war.
»Gib ihr einen längeren Ast!«, schlug Bowbaq vor.
»Du hast dich tapfer geschlagen«, lobte Grigán.
Léti lächelte, trat einen Schritt zurück und wirbelte ihr Holzschwert durch die Luft. Ihre Freunde applaudierten.
»Sagt an, Meister Grigán«, rief sie und imitierte Corenns Tonfall. »Was lerne ich heute?«
Grigán musste sich aus dem Stegreif etwas ausdenken. Er war es nicht gewohnt, seine Handlungen zu erklären. »Ein rascher Schritt zur Seite kann zum Sieg führen«, verkündete er schließlich stolz. »Kunststücke kosten nur Kraft, sind gefährlich und erhitzen das Gemüt. Versuch, immer ruhig und gelassen zu bleiben.«
»Ein Kunststück kann den Gegner überraschen«, wandte Rey ein.
»Sie muss erst lernen, sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Euch steht es frei, Kapriolen zu schlagen.«
»Ich würde gern sehen, wie du dich schlägst, Rey«, sagte Yan schelmisch.
Rey zwinkerte seinem Freund zu und warf Grigán einen fragenden Blick zu. Der Krieger bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, zu ihm zu kommen. Grigán lächelte, doch wegen seiner Narbe sah es eher so aus, als grinste er sadistisch. Vielleicht lag es aber auch nicht an der Narbe …
»Und was ist mit mir?«, fragte Léti, als sie Rey ihren Ast gab.
»Beobachte genau, was er tut«, sagte Grigán und hob seinerseits einen Stock auf. »Du wirst sehen, welche Fehler unbedingt zu vermeiden sind.«
»Ha, ha. Sehr witzig. Wenn Ihr mich reizt, werde ich Euch sämtliche Äste des Waldes in den Körper rammen«, spottete Rey.
Die beiden Männer gingen in Position und setzten so ernste Mienen auf, wie es ihnen die Holzschwerter erlaubten.
Rey lancierte einige Angriffe, die Grigán mit Leichtigkeit abwehrte. Dann versuchte er sich an einer komplizierten Schlagfolge, doch so etwas funktionierte nur mit den schweren Langschwertern der lorelischen Edelleute, nicht aber
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