Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
ihre aufwendige Frisur und eine schlichte Krone auf dem Kopf unterschieden sie vom gewöhnlichen Volk.
»Ihr seid nicht Séhane«, sagte Corenn zur Verblüffung der Gefährten. »Ich sagte doch, dass ich ihr bereits begegnet bin. Das war keine Lüge.«
Die Frau wandte sich einer der Wachen zu, da sie unschlüssig schien, wie sie sich verhalten sollte. Grigán wich einen Schritt zurück und schob eine Hand in das leere Lederfutteral seines Schwertes. Seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet.
Während die Fremde weiterhin schwieg, betrat eine zweite Frau den Saal. Sie wirkte erschöpft, und das Gehen schien ihr schwerzufallen.
Die Wachen traten respektvoll beiseite. Die Frau trug zwar keine Krone, doch sie war offensichtlich die echte Königin. »Dame Corenn«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Ich freue mich sehr, Euch wiederzusehen.«
»Majestät«, sagte die Ratsfrau mit einer knappen Verbeugung. »Es ehrt mich, dass Ihr mich wiedererkennt.«
»Mein Gedächtnis ist längst nicht so gut, wie Ihr zu glauben beliebt. Deswegen musste ich zu dieser kleinen List greifen. Ich fürchtete, Euch nicht wiederzuerkennen und mich täuschen zu lassen. Doch der Klang Eurer Stimme war unverwechselbar.«
Séhane dankte den Wachen und der Hofdame, die tapfer, wenn auch nicht sehr überzeugend, ihre Rolle übernommen hatte. Die Königin wusste, dass sie von Corenn nichts zu befürchten hatte. Und auch ihren Freunden konnte sie gewiss vertrauen.
Corenn stellte ihre Gefährten mit der gebotenen Höflichkeit vor. Doch die Königin wollte nichts davon wissen.
»Corenn, als wir uns in Kaul trafen, nanntet Ihr mich einfach Séhane. Bin ich zu alt, um Eure Freundschaft zu verdienen?«
Die Gefährten mochten die Königin auf Anhieb. Obwohl sie älter war als sie alle und auf einem Thron saß, war auch sie eine Erbin. Ihr Vorfahr, König Arkane, war zur Insel Ji gereist und hatte dort einen Arm verloren. Weil er über die Reise Schweigen bewahrt hatte, die anderen Fürsten ihn zum Abdanken. Arkane hatte gelitten und einen Teil seines Leids an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Keiner seiner Nachkommen hatte eine Wahl gehabt. Wie die Gefährten war auch Séhane mit einem rätselhaften Fluch belegt. Sie kannten einander nicht und mochten nur wenig gemein haben, doch das Geheimnis der Insel Ji verband sie.
Allerdings hatte Séhane nie an den Zusammenkünften am Tag der Eule teilgenommen und wusste daher nicht, was an jenem Tag auf Ji geschah. Außerdem trachteten die Züu ihr nicht nach dem Leben - zumindest bisher nicht.
»Ihr macht ein großes Geheimnis um Euren Besuch. Vermutlich gibt es dafür gute Gründe …«
»Eher schlechte, Séhane. Unser Leben ist in Gefahr, und wir glauben, dass auch Ihr in Gefahr schwebt.«
Die Königin hörte aufmerksam zu, als Corenn von den Morden der Züu berichtete. Die Gefährten erzählte ihr von der Flucht der Erben, den Ereignissen in Berce und dem Treffen mit den Züu im Kleinen Palast. Nur als die Diener das Essen auftrugen, legte sie eine kurze Pause ein. Schließlich kannte Séhane die ganze Geschichte - fast. Die Reise nach Ji hatte Corenn verschwiegen.
»Wie furchtbar«, sagte die Königin. »Wer mag dieser geheimnisvolle Widersacher bloß sein? Und warum will er die Erben töten?«
»Genau auf diese Fragen suchen wir eine Antwort, Séhane. Wir müssen weitere Erben finden. Vielleicht lebt noch jemand, der etwas weiß.«
»Dann könnte Euch dies von Nutzen sein«, sagte die Königin und zog ein Pergament aus der Tasche ihres Gewands. »Es kam vor ein paar Tagen mit einem Schiff aus Mestebien. Als man mir Euren Besuch ankündigte, dachte ich, Ihr wäret vielleicht die Verfasser.«
Corenn riss Séhane das Pergament beinahe aus der Hand und überflog die wenigen, auf Itharisch geschriebenen Zeilen. »Das könnte ein Hoffnungsschimmer sein«, sagte sie. »Dort steht: ›Majestät, wenn Ihr den Namen Ji mit einem Fluch verbindet, können wir einander vielleicht helfen. Nehmt meine Brieftaube, die die Reise hoffentlich gut überstanden hat, um mir eine Antwort zu senden.‹ Der Schluss lautet: ›Solltet Ihr in Frieden leben, vergesst diese Worte. Möge Eurydis Eure Gebete erhören.‹ Keine Unterschrift. Brachte Euch die Besatzung des Schiffes das Pergament zusammen mit einer Brieftaube?«
»In der Tat. Hilft Euch das weiter?«
Die Erben wechselten fragende Blicke. Mit so etwas hatten sie nicht gerechnet.
Corenn ging in Gedanken die Namen der Erben durch, die den Züu
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