Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
Leinwand zu bannen.
Rey schickte Crépel fort und bat ihn, Corenn und Yan zu holen. Dann gingen die Erben mit Herzklopfen daran, den Menschen auf dem Gemälde Namen zu geben. Léti schnürte es die Brust zusammen, als sie Tiramis erblickte, die einzige Frau auf dem Bild. Der Kaulaner neben ihr musste Yon sein. Mühelos erkannten die Erben Moboq aus Arkarien, denn er war ebenso groß wie Bowbaq und trug einen ebenso gewaltigen Bart. Auch Rafa aus Griteh und Ssa-Vez aus Jezeba waren an ihrer landestypischen Kleidung zu erkennen.
Der Mann in der schwarzen Priesterrobe konnte nur Maz Achem aus der Heiligen Stadt Ith sein. Nun blieben noch vier Männer übrig. Der Älteste war vermutlich Saat der Ökonom, Ratgeber des Prinzen Vanamel. Rey zeigte seinen Gefährten den Herzog von Kercyan, den er von Familienporträts kannte. Demnach musste der andere Mann im Gewand der Edelleute der goronische Prinz Vanamel sein.
Der zehnte Mann war folglich Nol der Seltsame. Der Grund für all ihr Unglück.
Die Erben lasen eine tiefe Traurigkeit in seinem Blick. Doch war es möglich, auf einem zwölf Jahrzehnte alten Gemälde ein so subtiles Detail zu erkennen?
»Mein Urgroßvater, König Arkane, versteckte das Gemälde gleich nach seiner Rückkehr von der Insel«, erklärte Séhane später. »Mein Großvater scherte sich nicht darum, und mein Vater lebte leider nicht lang genug, um sich um die Einrichtung des Schlosses zu kümmern. Es ist erst im vergangenen Jahr wieder aufgetaucht. Doch das Bild erinnert mich an etwas, das ich nur zu gern vergessen würde. Deshalb ließ ich es in einem Saal aufhängen, den ich nicht oft betrete.«
Die Königin nahm sich Zeit, um mit Corenn einen Spaziergang auf der Festungsmauer zu machen, und die Ratsfrau erkundigte sich nach dem rätselhaften Gemälde aus dem Waffensaal. »Wisst Ihr, wo es gefunden wurde?«
»Ich weiß, warum Ihr mir diese Frage stellt, Corenn. Arkane könnte an dem Ort weitere Dinge versteckt haben, die mit dem Abenteuer auf der Insel Ji zusammenhängen. Doch da war nur dieses Gemälde.«
Corenn machte keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung. Sie hatte in der Tat gehofft, einen Hinweis zu finden, der sie auf die Spur des Anklägers brachte. Wieder eine verlorene Hoffnung …
Da es nichts mehr zu sagen gab, kam sie auf ein anderes Thema zu sprechen, das ihr am Herzen lag. »Habt Ihr Neuigkeiten aus Kaul? Ich bin seit über drei Dekaden fort und habe keine Ahnung, was dort vor sich geht.«
»Viel weiß ich auch nicht, fürchte ich. Ich glaube, Eure Große Mutter war einige Tage lang krank. Sonst ist mir nichts Beunruhigendes zu Ohren gekommen. Wollt Ihr Euren Freundinnen einen Boten schicken? Er könnte eins meiner Schiffe nehmen.«
»Habt Dank für das großzügige Angebot, Séhane. Doch das wäre viel zu gefährlich - für uns, für die Ratsfrauen und selbst für den Boten. Die Züu und die Große Gilde haben sicher Spione nach Kaul entsendet. Wir dürfen keine Verbindung zu den Menschen aufnehmen, die einst zu unserem Leben gehörten.«
»Ihr seid sehr weise, Corenn«, sagte die Königin. Nach einer Weile fügte sie hinzu: »Würdet Ihr mir bei der nächsten Versammlung der Fürsten zur Seite stehen? Bitte sagt zu, denn ich brauche Euren Rat. Die Fürsten sind viel jünger, ehrgeiziger und gerissener als ich. Nach meinem Tod werden sie sich wie hungrige Wölfe auf mein schönes Land stürzen. Die Juneer verdienen Glück und Frieden, Corenn.«
Natürlich versprach sie der Königin ihre Hilfe. Séhanes Nöte waren viel schwerwiegender und von größerem Ausmaß als das Unglück der Erben, das nur wenige betraf.
Zumindest hatte es den Anschein …
Nach dem Essen zum Mit-Tag zogen sich Corenn und Yan für eine Unterrichtsstunde in ein Studierzimmer des Eroberten Schlosses zurück. Sie achteten darauf, dass niemand sie beobachtete, denn in den Kleinen Königreichen galt Magie als Frevel. Séhane hätte gewiss nicht zugelassen, dass man ihre Gäste wegen Hexerei aus der Stadt jagte oder auf dem Scheiterhaufen verbrannte, doch sie wollten kein Risiko eingehen.
Als er Corenns nachdenkliches Gesicht sah, wusste Yan, dass sie ihn abermals in eines der Geheimnisse der Magie einweihen würde, von denen es endlos viele zu geben schien. Nach jeder Lektion fragte er sich, ob Corenn ihm überhaupt noch etwas beibringen konnte. Doch sie überraschte ihn jedes Mal aufs Neue.
Corenn suchte eine Weile nach den richtigen Worten. Dann begann der Unterricht. »Du weißt bereits, dass
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