Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
hatte. »Nur wilde Tiere klammern sich so hartnäckig an ihr Leben!«
»Im Jal’karu hattet Ihr alle Zeit der Welt, über diese Frage nachzudenken«, sagte Léti mit blitzenden Augen. »Ihr solltet seit über einem Jahrhundert tot sein.«
Saat kicherte in sich hinein und stürzte sich dann mit einem hasserfüllten Schrei auf die junge Frau. Léti geriet ins Straucheln, stürzte, verlor ihre Waffe und rollte mehrmals um die eigene Achse, während er immer weiter nach ihr schlug. Als sie wieder auf die Füße kam, sah sie Grigáns Krummschwert vor sich und packte es gerade noch rechtzeitig, um den Todesstoß abzuwehren.
Ihr Gegner gönnte ihr keine Verschnaufpause. Er ließ jedem Angriff sofort den nächsten folgen und zwang Léti, alles anzuwenden, was sie von Grigán gelernt hatte. Doch mit der ungewohnt schweren Waffe ermüdete sie schnell. Während sie immer weiter zurückwich, ahnte sie, dass sie nur noch wenige Augenblicke zu leben hatte.
Auf einmal sah sie, wie sich Grigán hinter Saats Rücken mühsam aufrichtete. Sie wagte noch nicht, an dieses Wunder zu glauben, da legten sich zwei Arme in schwarzen Lederärmeln wie ein Schraubstock um den Oberkörper des hohen Dyarchen.
»Schlag ihm den Kopf ab!«, befahl Grigán mit brüchiger Stimme.
Létis Verblüffung währte nur kurz, dann reagierte sie. Sie ließ ihre Waffe durch die Luft sausen und bohrte sie dem Feind mit entsetzlicher Wucht in die Kehle.
Die Klinge hinterließ eine klaffende Wunde, aus der Blut auf die Gewänder des Hexers und die seiner Gegner spritzte. Grigán ließ Saat los und verlangte mit einer hastigen Handbewegung nach seinem Krummschwert.
»Ich habe doch gesagt, du sollst ihm den Kopf abschlagen«, sagte er vorwurfsvoll.
»Ich hätte Euch treffen können …«
Erleichtert überließ sie ihm die Waffe, obwohl sie genau wusste, dass sich Saat im nächsten Augenblick von seiner Verletzung erholt haben würde. Vielleicht reichte es nicht einmal, ihn zu enthaupten.
Saat taumelte auf seinen Thron zu und umklammerte die aufgeschlitzte Kehle mit den Händen. Sein Röcheln war ebenso abstoßend wie der Blutschwall, der sich über seine Brust ergoss. Corenn und Lana starrten ihn an, wagten aber nicht, sich zu rühren. Selbst als Rey die Augen aufschlug und das Blutbad erblickte, brachte die Priesterin kein Wort über die Lippen.
Der hohe Dyarch sank auf seinen Thron, als bräche nun das ganze Gewicht der Jahre, die er der Zeit abgerungen hatte, über ihm zusammen. Doch das Grinsen, sein ewig höhnisches Grinsen, flackerte unheimlicher denn je auf seinem Gesicht. Mit jedem Augenblick schien die Kraft in seine Glieder zurückzukehren, und als er sich aufrichtete, war offenkundig, dass er gleich seine alte Macht wiedererlangt hätte.
Grigán taumelte auf ihn zu, doch dann sank er in die Knie und verlor wieder das Bewusstsein. Er war schon vor einigen Dezillen zu sich gekommen und hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, um Léti zu Hilfe zu kommen. Doch er hatte zu viel Blut verloren. Nun hatte er keine Kraft mehr, um sich auf den Beinen zu halten.
Hilflos sah Léti mit an, wie sich Saat von einer Verletzung erholte, die kein anderer überlebt hätte. Dieses höhnische Grinsen. Dieser triumphierende Blick. Von unbändiger Wut gepackt, stürzte sie auf den hohen Dyarchen zu und hob im Vorbeigehen seine Waffe auf.
Mit tränenüberströmtem Gesicht richtete sie das verhexte Schwert auf Saats Herz und stieß zu wie ein rasendes Tier. Dann fiel sie auf die Knie und ließ sich von ihrer Verzweiflung überwältigen. Es war alles zwecklos. Wenn der erste Schmerz verflogen wäre, würde Saat wieder seine zynische, siegessichere Miene aufsetzen. Léti beschloss, dass sie genug hatte, dass sie nicht mehr kämpfen würde, dass sie das alles nicht mehr ertragen konnte. Sie wollte an nichts mehr denken. Sie wollte nur noch sterben.
In diesem Augenblick wandte sie noch einmal den Blick zu dem hohen Dyarchen - und sah in ein verwandeltes Gesicht. Sie war wie vom Donner gerührt.
Saat hatte Angst, maßlose Angst.
Plötzlich ertönte von weither ein unmenschlicher Schrei. Er hallte durch den ganzen Palast und jagte ihnen einen Schauer über den Rücken.
»Sombre«, flüsterte Lana tonlos. »Das war der Schrei des Dämons.«
Saat schien etwas sagen zu wollen, doch stattdessen sprudelte ihm Blut über die Lippen. Das Kind des Karu kannte jetzt die Wahrheit: Es hatte die Barrieren durchbrochen, mit denen der hohe Dyarch seine Gedanken schützte, und
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