Die Magier von Tarronn (2) (German Edition)
„es gibt Zeiten, in denen sollte man einfach nicht auftauchen.“
„Woran denkst du?“ Duamutef schaute ihn groß an.
„An die Zukunft der Erde. Neri war auf ihren Seelenreisen dort. Es muss schrecklich gewesen sein.“ Imset ließ Sand durch seine Finger rinnen. „Auch Vater sprach davon, dass er uns in einer späteren Zeit, nicht mehr hätte auf der Erde besuchen können. Lasst uns die Erde einfach so im Gedächtnis behalten, wie sie jetzt ist. Dann haben wir wenigstens schöne Erinnerungen an sie.“
Imset stand auf, klopfte den Sand von seinem Umhang. „Kehren wir zurück. Amenemhet wird schon auf uns warten.“
Ehrfürchtig machten die Menschen den Weg frei, wenn sie sich näherten. Die Nachricht von der wundersamen Heilung der todkranken Farah hatte sich rasend schnell wie ein Sandsturm verbreitet. Dafür hatten schon ihre Dienerinnen gesorgt.
Der Hausherr empfing sie wieder persönlich an der Treppe. Diese Ehre ließ er sich nicht nehmen.
„Wie geht es Farah?“, fragte Imset sofort.
„Es geht ihr schon viel, viel besser“, strahlte Amenemhet. „Sie erwartet euch.“
Seine Frau hatte darauf bestanden, in die große Halle gebracht zu werden. Als sich die Gäste näherten, versuchte sie aufzustehen.
Mit einem schnellen Satz war Imset bei ihr und drückte sie sanft zurück. „Nicht – das ist noch viel zu früh. Du musst erst wieder richtig zu Kräften kommen.“
Während des Abendessens hatte Imset Zeit, unbemerkt die Dame des Hauses zu mustern. Sie mochte etwa vierzig Jahre alt sein und war, bevor die Krankheit zuschlug, sicher sehr hübsch gewesen. Offensichtlich liebte Amenemhet seine Frau über alles, denn er scheute weder Kosten noch Mühen, alle Zutaten besorgen zu lassen, die Safi für Farahs Medizin verlangt hatte.
Dieser revanchierte sich auf seine Art. Bestens mit der Hieroglyphenschrift vertraut, schrieb er das Rezept auf ein Stück Papyrus und legte dem besten Koch des Hauses ans Herz, niemals Veränderungen daran vorzunehmen.
Nach zwei Tagen fasste sich Amenemhet endlich ein Herz. Er fragte, wenn auch auf Umwegen, nach dem eigentlichen Grund des hohen Besuches. „Seid ihr gekommen, um an der Einweihung des Tempels teilzunehmen?“
Nach kurzem Zögern antwortete Duamutef: „Daran werden wir auch teilnehmen, nur ist der wahre Grund ein anderer. Wir sind der Stiere wegen hier.“
Amenemhet sah ihn erstaunt an. „Du meinst sicher den Apisstier. Stimmt etwas nicht mit ihm? Morgen soll er dem Pharao gegenübertreten. Unser göttlicher Herrscher ist der Einzige, der sich zu ihm wagt. Zwingt er den Stier unter seinen Willen, wird damit sein Anspruch auf den Thron legitimiert. Denn der Apis ist das göttliche Zeichen für die Erneuerung.“
„Es geht nicht um diesen Apisstier, es geht um die, die seine Stellvertreter sind oder seine Nachfolger, ganz wie du es nennen willst. Aker wünscht, dass wir drei dieser Tiere zu ihm bringen. Wirst du uns helfen?“
Amenemhet war blass geworden. „Ja, ich werde den Söhnen des großen Horus gehorchen, auch wenn ich Ptahs Zorn fürchte.“
„Du musst seinen Zorn nicht fürchten. Ptah weiß, weshalb wir hier sind“, versuchte ihn Hapi zu beruhigen.
Imset und Safi setzten gleichzeitig telepathisch hinzu: „Den Zorn des Priesters muss er wohl sehr viel mehr fürchten.“
„Wo finden wir die Stiere?“, fragte Kebechsenef weiter.
„Etwas südlich außerhalb der Stadtmauern liegt ein kleiner Tempel, dort sind auch die Stallungen der anderen Stiere. Der Bezirk wird schwer bewacht, denn ein rasender Apis kann großes Leid über alle bringen“, flüsterte Amenemhet. „Wann wollt ihr die Stiere holen?“
Duamutef hatte sich kurz mit seinen Brüdern beraten. „Nach der Einweihung des Tempels. Wir wollen auf keinen Fall die Zeremonien stören. Wir werden danach auch nicht zu dir zurückkehren. Betrachte unsere Kamele deshalb schon jetzt als kleines Geschenk für deine Hilfe.“
Amenemhet dankte, sich ehrfürchtig verbeugend. Die halbe Nacht konnte er vor Aufregung nicht schlafen. Als ihn endlich der Schlaf umfing quälten ihn Albträume. In ihnen rannte der Apisstier einmal den Pharao, ein andermal seine Gäste nieder und sogar sein Haus legte er in Schutt und Asche.
Mit einem Entsetzenslaut, schweißgebadet, wachte er schließlich auf, um bis zum Morgen keine Ruhe mehr zu finden. Egal was auch kommen würde, aus tiefer Dankbarkeit für die Heilung seiner Frau, werde er alles für seine göttlichen Gäste tun.
Trost suchend
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