Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
»brauchen wir jemanden, der die Spielregeln auf Pecheta kennt, der das Spiel so mühelos spielt, wie er atmet.«
»Was sagst du da? McAvery stammt von Pecheta?«
»Ja. Er ist ein Agent des Königs. Sie nennen ihn den Buben.«
Tom schnaufte. »Er ist ja auch sicher ein Spitzbube!«
»Welche Garantie hast du, dass er das Spiel nicht gerade jetzt spielt?« Shadds rötliche Wangen wurden dunkler, und Sturmwolken brauten sich hinter seinen Augen zusammen. »Sie könnten in dieser Minute schon auf uns warten, bereit, uns in Gewahrsam zu nehmen. Das wird ein wahres Volksfest! All die netten, adligen Familien werden mit ihren Picknickkörben zum Hafen hinunterziehen, um zuzusehen, wie die Piraten gehenkt werden! Alles dank dieses aufrechten, anständigen Bürgers Philip McAvery!«
Er hielt sich die Seite und atmete nach der Anstrengung des Schreiens nur mühsam. Aber Falkin ließ sich nicht täuschen. Sie hatte ihn zahllose Male in der Schlacht weiterkämpfen sehen, wenn er schon längst hätte zusammenbrechen sollen. Seine Sturheit war etwas, das sie schon immer an ihm bewundert hatte. Zum Glück war sie genauso starrköpfig. Sie bohrte ihren finsteren Blick in seinen. »Gut – ich wollte es euch ja schonend beibringen, aber zur Hölle damit! Binns hat einen Auftrag für den König erledigt. Er hat mit McAvery zusammengearbeitet, bis sich dieser verflixte Prinz eingemischt hat. McAvery arbeitet so lange mit uns zusammen, bis ich sage, dass er es nicht mehr tut. Die Frage ist nur: du auch?«
Der große Kanonier rührte sich nicht, aber ihre Worte hatten ihn so gezielt getroffen wie ein Pfeil. Die Röte wich aus seinen Wangen. Am Ende senkte er den Blick und ließ sich schwer wie ein Anker auf seinen Stuhl fallen. Als er wieder etwas hervorbrachte, klang seine Stimme gedämpft: »Aye aye, Kapitän. Ich bin immer noch auf deiner Seite.«
»Gut. Ohne dich schaffe ich das auch nicht.«
Tom räusperte sich. »Was genau wirst du jetzt tun, Kapitän? Mit Verlaub, nach allem, was wir wissen, haben wir, wenn das, was McAvery sagt, wahr ist, nicht gerade viele Möglichkeiten.«
Falkin seufzte und setzte sich erneut. Ihre Schulter tat noch immer von der Fesselung vorhin weh, und dazu hatte sie kalte Füße. Hunger nagte an ihrem Bauch wie ein Geschöpf, das sich daraus hervorgraben wollte. Das Essen, das Bardo ihr gebracht hatte, stand noch immer auf dem Tisch, verlockend und abstoßend zugleich. Sie konnte sich nicht überwinden, es an die Lippen zu führen. Eine plötzliche Sehnsucht nach Pökelfisch überkam sie, und sie musste beinahe lachen, weil das so sinnlos war. Pökelfisch, den Binns so geliebt hatte … Liebt , verbesserte sie sich selbst. Er ist noch nicht tot .
Die Männer warteten darauf, dass sie etwas sagte. Irgendetwas. Sogar McAvery. Sie war jetzt ihr Kapitän, durch Blut und Meuterei hatte sie den Titel behauptet. Ihr Wort war dasjenige, das Shadd unterstützten würde, aber in diesem Augenblick fand sie kein einziges Wort, das sie ihm anbieten konnte.
»Kapitän? Darf ich einen Vorschlag machen?«, mischte sich McAvery ein.
Die drei Piraten sahen einander an. Schließlich nickte Falkin.
McAvery schlug die Hände zusammen, rieb sie sich kräftig und trat auf den Tisch zu. »Was ihr erreichen wollt, kann nicht auf altmodische Art und Weise getan werden. Degen, Feuer, Belagerte aushungern … Das ist Schnee von gestern – aus den alten Tagen, in denen die Inseln nicht mehr als Stammesfesten waren.«
»Flingo Naile hat’s aber geschafft«, murmelte Shadd.
McAvery drehte sich mit strahlendem Gesicht zu ihm herum. »Genau das meine ich! Es ist schon häufiger getan worden, als man noch zählen kann. Die Wachen werden mit dieser Sorte eines Angriffs rechnen. Zur Hölle, sie werden sich schon darauf freuen, weil das genau die Sache ist, zu deren Abwehr sie ausgebildet worden sind. Selbst, wenn ihr und eure Mannschaft hineinmarschiert und es euch irgendwie gelingt, euren Kapitän auf die Art und Weise zu befreien, so wäre es doch wieder nur dasselbe, was Flingo Naile und andere Piraten in früheren Zeiten schon getan haben. Worin bestünde dabei der Ruhm?«
»Ich brauche gar keinen Ruhm«, sagte Falkin. »Binns zu befreien ist schon genug.« Die Nackenhaare begannen ihr vor Nervosität zu prickeln, obwohl sie sich nicht sicher war, warum. Ganz gleich, worauf McAvery hinauswollte, sie hatte das ungute Gefühl, dass es ihr nicht gefallen würde.
»Nichts an eurem Abenteuer war bisher gewöhnlich. Also
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