Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
hin- und herfuhren, und ihre Mannschaft hob sich, soweit sie sehen konnte, nicht von irgendeiner anderen Bootsladung ab.
Shadd hielt das Fernrohr und warf alle paar Minuten rasche Blicke hindurch, während sich ihr Boot der Thanos näherte. Er senkte das Rohr, als sie in den Schatten des Schiffes einfuhren, und grinste Falkin an. »Die müssen wirklich bei einem feinen Kartenspiel sitzen«, berichtete er mit einer Stimme, die so leise wie ein Katzenschnurren war. »Kein Mann von den dreien sieht sich auch nur an Deck um – und viel weniger noch blickt einer zu uns herunter.«
»Hoffen wir, dass es auch so bleibt«, murmelte sie. »Wir werden jeglichen Vorteil brauchen.« Sie streckte ihren Ruderern eine Hand entgegen. »Sachte jetzt, Jungs. Bringt mich so nahe heran, wie ihr könnt, aber versucht, den Rumpf nicht zu heftig zu rammen.«
Die Männer, die dem schwarzen Rumpf am nächsten saßen, sicherten ihre Riemen, während die äußeren Ruderer die ihren als Steuerruder nutzten, indem sie mit gegenläufigen Zügen das Ruderboot abbremsten und stabilisierten. Falkin erschauerte; sie bildete es sich gewiss nur ein, aber seit sie in den Schatten eingefahren waren, war die Brise eisig geworden und hatte ihr eine Gänsehaut versetzt. Jetzt, da sie direkt neben ihm lagen, wirkte das Schiff wie ein monströser, schwarzer Wal. Würde es sie abwerfen, wenn sie die Sprossen berührte, sich aufbäumen und zur Abwehr buckeln? Sie schüttelte den Kopf. Mach dich von diesen törichten Einfällen frei , befahl sie sich selbst. Es ist ein Schiff, das aus Holz und Stoff gebaut ist. Konzentrier dich auf deine Aufgabe .
Shadd war aufgestanden und hatte mit einem der inneren Ruderer den Platz getauscht. Er streckte den Arm aus, packte die unterste Sprosse und zog das Langboot dicht an den schwarzen Rumpf der Thanos heran. Es kam zu einem sanften Zusammenstoß: Alle erstarrten und sahen zur Reling über ihnen hoch. Doch kein Gesicht erschien dort, um nachzuforschen.
Falkin erhob sich. Sie legte einen Finger auf die Lippen, deutete dann erst auf sich selbst und danach auf die Leiter. Shadd nickte, zeigte auch auf sich selbst und dann auf zwei andere. Die Übrigen verhielten sich ruhig. Die Reihenfolge, in der sie nachkommen würden, mochte sich von selbst ergeben. Falkin holte tief Luft, ließ ihre verletzte Schulter noch einmal kreisen und griff nach den wartenden Sprossen. Sie langte so weit hinauf, wie sie das mit ihrer gesunden linken Hand nur konnte, trat auf die unteren Sprossen und kletterte los.
Sie hatte gewusst, dass der Aufstieg eine unsichere Angelegenheit sein würde – zwar nicht so schwer, wie eine Strickleiter hinaufzuklettern, aber doch schwierig. Das sanfte Schaukeln des Schiffes brachte sie aus dem Gleichgewicht und sorgte dafür, dass sie jede Sprosse doppelt so vorsichtig wie sonst betrat. Sie benutzte den linken Arm, so oft sie konnte, ließ mit der Hand rasch los und führte sie schnell zur nächsten Sprosse, während sie den rechten Arm gebeugt hielt, um sich für die ein oder zwei Sekunden festzuhalten, die es dauerte, ihre stärkere Hand zu bewegen. Ihre Hände waren rutschig vor Schweiß, und ihre rechte Schulter schmerzte schon, bevor sie auch nur fünf Fuß geklettert war. Aber es half ja nichts. Wieder hinunterzusteigen würde auch nicht einfacher sein. Der einzige Weg, ihren Kapitän zu retten, führte nach oben und über die Reling, die sich über ihrem Kopf befand. Sie biss die Zähne zusammen und zwang sich, die nächste Sprosse in Angriff zu nehmen.
Der Schmerz war zu einem weißglühenden Messer geworden, als sich ihr Kopf auf gleicher Höhe mit der Unterseite der Reling befand. Mehrere Wasserfässer standen direkt dahinter. Die perfekte Tarnung für sie, um an Bord zu schlüpfen. Lichtblitze tanzten am Rande ihres Gesichtsfeldes, und der Schweiß brannte ihr in den Augen, aber sie kniff sie zusammen, starrte zwischen den Fässern hindurch und machte die drei Wachen aus, die auf Strohballen neben der Ankerwinde saßen. Alle drei waren tief in ihr Spiel versenkt. Sie schienen nicht viel zu reden, setzten aber blindwütig Geld: Funkelnde Münzen blitzten im Nachmittagssonnenschein auf.
Falkin packte den nächstbesten Pfosten der Reling und zog die Füße auf der Leiter so hoch, wie sie nur wagte. Der schwierige Teil ist fast vorbei. Du musst dich nur noch drüberziehen. Ihre rechte Hand schien an Kraft zu verlieren, doch dann schlang sie die Finger um einen zweiten Pfosten und warf die linke
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