Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Hand über die Reling. Sie biss sich auf die Lippen, um den Schrei zu unterdrücken, den sie gern ausgestoßen hätte, als ihr verletzter Arm ihr ganzes Körpergewicht halten musste. Trotz seiner Ermüdung hielt ihr linker Arm. Sie zog sich hoch und schwang ein Bein über die Reling. Auf der Innenseite griff sie wieder nach dem Geländer und versuchte, sich abzustützen und ganz hinüberzuziehen. Ihre Hand war jedoch zu rutschig, und ihr Griff glitt ab. Sie verlagerte die Hüften in Richtung Deck, ließ sich fallen, traf sanft auf und lag totenstill auf dem Rücken.
Kapitel 14
Allein, allein, ja, ganz allein, Auf weiter, weiter See allein! Und doch erbarmt’ kein Heil’ger sich Wohl meiner Seelenpein.
Samuel Taylor Coleridge
HATTEN SIE ETWAS GEHÖRT? Falkin rührte sich nicht und wagte es nicht einmal zu atmen. Schmerz hämmerte im Takt ihres wilden Herzklopfens durch ihren Körper. Sie malte sich eine panische Sekunde lang aus, dass die Kartenspieler das Pochen in ihrem Brustkorb gehört haben mochten und sich jetzt langsam an ihr Versteck anschlichen, dazu bereit, sich auf sie zu stürzen. Die Stille war ohrenbetäubend. Würden sie Falkin töten, bevor sie sie über Bord warfen?
Sie wartete für eine scheinbare Ewigkeit. Als aber nichts geschah, riskierte sie einen weiteren Blick zwischen den Fässern hindurch. Karten und Münzen gingen immer noch von Hand zu Hand – kein einziger Soldat war aufgestanden. Sie plauderten noch nicht einmal miteinander. Trotz der Situation hätte sie am liebsten laut losgelacht. Angeblich bestand die Königliche Garde aus den besten Soldaten, die das Geld des Königs kaufen konnte. Wenn diese Männer hier denen entsprachen, denen ihre Mannschaft würde gegenübertreten müssen, sobald sie das Schiff, auf dem sich Binns befand, einholten, würde sie weit bessere Chancen als erwartet haben, ihn zurückzubekommen, und zwar ohne dass einer ihrer eigenen Männer zu Schaden kam.
Sie streckte die linke Hand über die Reling und krümmte den Finger, um Shadd zu signalisieren, dass er hinaufklettern konnte, setzte sich dann auf und schob sich vom Rand weg. Sie blieb geduckt hinter den Fässern, machte aber Platz, damit Shadd und die übrigen Männer zu ihr stoßen konnten. Kein Laut drang von dem Spiel herüber – den Spielern musste schon vor Stunden der Gesprächsstoff ausgegangen sein, und dann hatten sie sich entspannt dem freundschaftlichen Schweigen ergeben, das Männer so oft bevorzugten. Sie konnte sich keine Möglichkeit vorstellen, die Soldaten geradewegs zu überrumpeln, besonders, da sie so leise waren – es sei denn, ihre mangelnde Aufmerksamkeit für alles außer ihrer Unterhaltung half ihnen. Das würde ausreichen müssen.
Shadds Kopf erschien unter der Reling. Fragend zog er die Augenbrauen hoch. Falkin hob einen Finger an die Lippen und forderte Shadd mit einer Kopfbewegung auf, zu ihr hinter die Fässer zu kommen. Er packte das glatte Holz, zog sich über die Kante und ließ sich wieder herab, ohne auch nur hörbar aufzutreffen. Für einen derart massigen Mann war er erstaunlich anmutig, und plötzlich war sie froh, dass er ihren unbeholfenen Sturz aufs Deck nicht mit angesehen hatte.
Sie beugte sich zu ihm, hob die Augenbrauen und neigte den Kopf. Shadd wies mit zwei Fingern auf die Reling. Als hätte er nur auf ein Signal gewartet, steckte nun auch der Rote Tom seinen feurigen Kopf über den Rand des Decks.
Falkin nickte ihm zu, an Bord zu kommen. Jarvis war ein paar Sprossen unter ihm; er kletterte Hand für Hand an der Flanke des Schiffes empor und hielt einen Dolch zwischen die Zähne geklemmt. Falkin nickte befriedigt und beugte sich wieder zu Shadd hinüber. Sie schwang die Hand in einem Kreis, der die Männer und sie selbst einschloss, ballte die Faust und rammte sie in Richtung der kartenspielenden Soldaten. Shadd runzelte die Stirn, legte ihr eine fleischige Hand auf die verletzte Schulter und schüttelte den Kopf.
Obwohl es schön war zu wissen, dass immer jemand auf sie aufpassen würde, verabscheute Falkin es manchmal, wie sich Shadd, wenn es um sie ging, geradezu in eine Glucke verwandelte. Sie war sich ihrer Grenzen durchaus bewusst. Sie hatte nur vor, den Angriff anzuführen, und würde sich, sobald ein ernsthafter Kampf auszubrechen drohte, zurückfallen lassen. Sie tätschelte die Degenscheide, die ihr von der linken Hüfte hing, zog die Klinge halb mit der linken Hand und bleckte dabei die Zähne zu einem stummen
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