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Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Die Magierin des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Misty Massey
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vor, in der Nähe zu bleiben, falls Shadd wach wurde. Oder falls sich sein Zustand verschlechterte.
    Aber der Schlaf wollte gar nicht erst kommen. Gedanken an Binns auf dem Gefängnisschiff, der sicher in einer feuchten, erbärmlichen Bilge angekettet war, in der ihm Pfützen von Brackwasser in die Stiefel drangen, während ihm der Magen vor Hunger knurrte, wirbelten durch ihren Verstand und ließen sie nicht zur Ruhe kommen. Außerdem pochte ihre Schulter, zwar nicht so schlimm wie direkt nach ihrer Verletzung, aber doch genug, um sie davon abzuhalten, eine Haltung zu finden, die bequem genug war, um zu schlafen. Am Ende ließ sie sich aus der Hängematte kippen und kehrte auf Deck zurück, um auf und ab zu tigern und sich Sorgen zu machen.
    Das Meer war ein schwarzer Spiegel, der sich ständig veränderte; ferne Wellen glitzerten im reflektierten Licht des Halbmonds. Abgesehen vom gelegentlichen Stöhnen des Windes in der Takelage fuhr das große Kriegsschiff beinahe lautlos dahin; unter Falkins Füßen war sogar kaum ein Knacken von Holz zu hören. Die Männer wirkten ungewohnt düster gestimmt. Statt ein Rumfässchen aufzubrechen und auf ihren Erfolg anzustoßen, hatten die meisten Anspruch auf eine Hängematte unter Deck erhoben und sich sogleich schlafen gelegt. Die wenigen, die für die nächtliche Fahrt an Deck geblieben waren, arbeiteten ohne einen Laut – bis auf die allerbruchstückhaftesten Gespräche. Eine gleichmäßige Brise war genau zu Sonnenuntergang aufgekommen und hielt die Segel auch noch lange nach Einbruch der Dunkelheit gefüllt. Wäre sie eine abergläubische Frau gewesen, hätte Falkin gern geglaubt, dass die Natur selbst auf ihrer Seite war. Nur dass jeder Wind, den sie ausnutzte, auch McAvery viel weiter vorantrieb. Sie starrte durchs Fernrohr und hoffte, einen Blick auf die kleine Schaluppe, die sie so gut kannte, zu erhaschen.
    Jetzt, da sie sich frei bewegen und atmen konnte, war die unangenehme Vorstellung von Binns, der in Ketten lag, aus ihrer Einbildungskraft verschwunden. Sie wurde von einem hübschen, lächelnden Gesicht ersetzt – dem Gesicht, das drohte, sie und alle, an denen ihr etwas lag, in eine verhängnisvolle Zukunft zu stürzen. Sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie zugelassen hatte, dass McAvery auch nur auf fünfzig Meter an ihren Kapitän herangekommen war. Sie hatte sich nicht energisch genug gegen ihn ausgesprochen – sie hatte ihre Furcht vor Magie zu deutlich werden lassen und am Ende wie ein hysterisches Mädchen geklungen, und nicht wie die lebenskluge Frau, die sie war. Hätte sie doch nur ihre Worte sorgfältiger gewählt! Hätte sie Binns doch nur die Gefahr begreiflich gemacht! Doch sie seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. Was das betraf: Hätte sie McAvery doch nur durchbohrt, als sie ihn auf dem Markt erspäht hatte. Die Was-wäre-wenns rasten so durch ihren Verstand und sorgten dafür, dass sie sich fühlte, als drehe sie sich schwungvoll im Kreis.
    Hör auf , befahl sie sich selbst. Was geschehen ist, ist geschehen. Es ist nicht anders, als in einen Wirbelsturm hineinzusegeln. Alles verschalken und ihn durchstehen, danach den Schaden beheben. Die beste Methode, das zu reparieren, was zerbrochen war, bestand in ihren Augen darin, McAvery im Laderaum dieses schönen Schiffes, das sie mittlerweile beide schon einmal gestohlen hatten, in Ketten zu legen und so schnell, wie der Wind es nur zuließ, nach Pecheta zu segeln. McAvery hatte einige Stunden Vorsprung vor ihr, aber sie hatte das bessere Schiff und wusste vor allem auch, wohin er wollte.
    Aber was, wenn McAvery doch gar nicht nach Pecheta wollte? Er war schließlich ein Betrüger, der in der hinterlistigen Kunst geübt war, seine Fährte zu verwischen und spurlos zu verschwinden. Er war ihnen immer zwei Schritte voraus gewesen, seit er sie auf dem Weg nach Eldraga gesehen hatte. Als es ihm gelungen war, sich ihre Schaluppe unter den Nagel zu reißen, musste er davon ausgegangen sein, dass sie den Hafenmeister befragen würde, sobald sie den Diebstahl bemerkte. Seine beiläufige Bemerkung mochte nur eine weitere Finte gewesen sein, die er sich umsichtig ausgedacht hatte, um Falkin in die Gegenrichtung zu lotsen. »Eine Verabredung mit dem König«, so hatte er gesagt. Ganz gleich, ob das zufällig die Wahrheit oder eine sorgfältig gelegte falsche Fährte war, seine Bemerkung blieb jedenfalls der einzige Hinweis, an dem sie sich orientieren konnte. Sie suchte wieder den Horizont

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