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Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Die Magierin des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Misty Massey
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ab und hoffte auf das Glitzern einer Laterne oder den Schimmer des Mondlichts auf weißen Segeln, die ihr bestätigen könnten, dass sie auf der richtigen Spur war. Wenn sie McAvery nicht finden und gefangen nehmen konnte, dann wusste sie nicht, welcher Kurs ihr noch übrig bleiben würde.
    Die Mannschaft war ja nicht ihre Mannschaft. Sie wollte sich gar nicht erst dem Irrglauben hingeben, dass die Männer aufgrund irgendeiner Loyalität zu ihr mitgekommen waren. Sie mochten sie zwar Kapitän nennen, aber Binns war derjenige, dem sie noch immer folgten und der sie beflügelte. In ihren Augen war er die Verheißung von Gold und Rum, Blut und Schlachtgetümmel. Das alles, und dazu die Tatsache, dass dieses gestohlene Schiff weitaus größer und besser mit Geschützen ausgerüstet war als die Schaluppe. Von hier oben aus wirkte die Vogelfrei wie ein leichter Fang. Doch die Männer würden niemals zustimmen, ein gut bewaffnetes pechetisches Kriegsschiff anzugreifen, nicht in ihrer ausgedünnten Anzahl und nicht ohne einen erfahrenen Kapitän, der in der Lage war, den Sturm anzuführen.
    Eine Erinnerung an ihre letzte Kaperfahrt trieb vor Falkins innerem Auge vorbei. Es war eine ziemlich kleine Karavelle gewesen, die Salz und andere Gewürze vom Kontinent im Gegenwert des Lösegelds eines Herzogs an Bord gehabt hatte und angesichts all der Schätze, die sie transportierte, nicht einmal sonderlich gut bewaffnet gewesen war. Aufregung war in Wellen über die Schaluppe pulsiert; jedes Mannschaftsmitglied war angespannt und erwartungsvoll gewesen. Sie hatten ihre falsche pechetische Flagge gehisst und die Karavelle so in trügerischer Sicherheit gewiegt.
    Auf der Karavelle hatte man die Gefahr erst zu spät bemerkt. Die Hälfte der Matrosen auf dem Handelsschiff war auf Deck in Position geeilt, während die übrigen unter Deck verschwunden waren. Binns hatte in der Takelage gehangen, in das dunkelrote Leinenhemd gekleidet, das er vor Kämpfen immer anzog. Sein Gesicht war mit Schießpulver und Schweiß verschmiert gewesen; er hatte den Tauwerfern Befehle zugebrüllt, während sie Enterhaken auf das Handelsschiff geschleudert hatten, um es festzuhalten. Binnen weniger Minuten war die Karavelle gekapert gewesen. Dabei hatten sie keinen einzigen Mann verloren. Später in jener Nacht, während der trunkenen Feier, die immer auf ein erfolgreiches Kapern folgte, hatte Binns Falkin etwas anvertraut. »Hast du dich je gefragt, warum ich vor einem Kampf immer das rote Hemd anziehe? «, hatte er gefragt; der Rum, der durch sein Blut gejagt war, hatte seine Worte ein wenig undeutlich klingen lassen. »Das ist so’n bisschen geschummelt, weißt du? Wenn ich getroffen werde, sieht man das Blut auf dem roten Hemd nicht. Solange die Männer aber denken, dass ich nicht verwundet bin, kämpfen sie weiter, bis die Schlacht gewonnen is’.«
    Sie hatte vorhin versucht, seinem Beispiel zu folgen, als sie linkshändig gekämpft hatte. Sie hatte die Hand gehoben, sie vorsichtig auf die verletzte Schulter gepresst und war zusammengezuckt, als ein pochender Schmerz ihr antwortete. Nur Shadd hatte von ihrer Verwundung gewusst, hatte davon aber, soweit sie wusste, niemandem etwas erzählt. Hatte es irgendetwas daran geändert, wie die Mannschaft sie sah? Wie denn, wenn sie gar nicht wussten, dass sie verwundet gekämpft hatte? Sie starrte über das schwarze Wasser und fragte sich zum hundertsten Mal, wie es Binns nur gelang, das Kommandieren so mühelos erscheinen zu lassen.
    Sie war stolz darauf gewesen, unter Binns zu dienen. Er war tapfer und stark, schlau und gerissen. Liebend gern wäre sie für ihn gestorben. Wäre doch nur er derjenige gewesen, der entkommen war, und sie stattdessen in Ketten gelegt worden! Er hätte gewusst, was genau zu tun war. Er wäre angesegelt gekommen, um sie zu befreien, und hätte wahrscheinlich gleich noch die Fracht erbeutet. Was für eine Seite das in seinem Logbuch abgegeben hätte!
    Das Logbuch. Binns mochte vielleicht irgendeinen Hinweis oder die Andeutung eines Ratschlags auf den Seiten des Logbuchs hinterlassen haben. Vielleicht war es an der Zeit, ein bisschen zu lesen. Sie würde ganz gewiss nicht schlafen können.
    Eine Träne stieg hoch und ließ alles vor ihren Augen verschwimmen. Sie wischte sie ärgerlich fort, obwohl die einzigen Männer an Deck sich auf dem Achterdeck befanden. Einer steuerte, der andere navigierte, und keiner von beiden war nahe genug, um etwas bemerkt zu haben. Sie tat einen

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