Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Jahren, die sie unter seinem Kommando gedient hatte, niemals von einem Kampf abgehalten.
Sie blätterte um, aber es folgte kein weiterer Eintrag. Er musste den vorherigen in der Nacht vor seiner Verhaftung gemacht haben. Falkin schob das Buch weg und ließ den Kopf zurücksinken. Die Decke war so poliert und edel wie der ganze Rest der Kajüte. Beinahe vermochte sie das Spiegelbild ihres Gesichts im Holz zu sehen.
So wie es schien, konnte sie hier auch noch den ganzen Nachmittag sitzen und lesen – oder sie konnte schnellere Antworten bekommen. Wenn McAvery denn mitspielte. Sie würde ihm klarmachen müssen, dass sein Kopf in Gefahr war. Aber nicht von Seiten des Königs. Wenn Binns’ Logbuch zutraf, war McAvery ein Verbündeter. Aber Falkin würde ihn mit Freuden an den Rahen aufhängen, wenn er sich doch als ein Hindernis erwies.
Sie stand auf und öffnete die Tür. »Jarvis!« Sie warf einen Blick zurück zu Shadd und seufzte tief. Wie ärgerlich, dass er schlief und aufgrund der Kräuter, mit denen er gefüttert worden war, wohl auch noch weiter schlafen würde! Sie hätte seine Ohren jetzt gebrauchen können. Aber sie brauchte ihn auch bei guter Gesundheit. »Bring unseren Gefangen hier herauf. Ich muss mit ihm sprechen.«
Als sie in McAverys spöttisches Gesicht blickte, wusste sie, dass er alles, was sie sagen mochte, sofort so verdrehen und in seiner Bedeutung verändern würde, dass sie sich selbst zum Narren gemacht hätte. Spiele waren ihr nicht fremd, da sie viele Nächte damit verbracht hatte, Schach oder Karten mit Binns zu spielen. Aber jene Art von Spielen, die McAvery zu spielen pflegte, überstiegen ihre Kenntnisse.
So, wie er war, war es nicht leicht, von ihm so angestarrt zu werden. Seine Augen wirkten so stark, als leuchte ein Licht von jenseits ihrer blauen Tiefen hervor. Und wann waren sie blau geworden? Sie hätte schwören können, dass sie braun gewesen waren, als sie ihn in jener Nacht im Wirtshaus aus der Nähe gesehen hatte. Magie, es musste Magie sein, auch wenn sie beim besten Willen nicht begriff, welchem Zweck sie diente. Ein angespannter Schauder quälte sich ihren Rücken hinab.
»Darf ich mich hinsetzen?« McAvery scharrte mit den Füßen, so dass die Ketten klirrten. »Meine neue Garderobe ist etwas belastend.«
»Setzt Euch«, sagte Falkin. Sie hatte mit dem Rücken zum Schrank mit verschränkten Armen Stellung bezogen. Shadd schnarchte leise.
McAvery zog sich mit dem Knie einen Stuhl unter dem Tisch hervor und setzte sich dann. »Was habt Ihr hier zu trinken?«
»Warum sollte ich meinen Rum für einen Schuft wie Euch verschwenden?«
Er zuckte die Schultern. »Das wäre die beste Art, die Abmachung zu besiegeln. Es sei denn, Ihr hättet Angst davor, mit mir zu trinken?« Er legte den Kopf schief, eine vage vertrauliche Bewegung, als könne er, wenn er den Kopf genau so drehte, tief in ihre Seele blicken. Es war zwar seltsam, aber anziehend. Die feinen Haare stellten sich mit einem kalten Kribbeln auf ihren Armen auf, ihr Unterleib fühlte sich seltsam hohl an, und sie war sich auf einmal jedes Schlages ihres Herzens sehr bewusst.
»Angst? Vor Euch?«, fragte sie. »Ich bin mit Rum abgestillt worden – Ihr könntet mich nicht einmal unter den Tisch saufen, wenn ich doppelt so viel wie Ihr trinken würde.«
»Wollen wir wetten?«
Falkin lachte harsch. »Ich soll mein teures Geld bei einem betrügerischen Schuft riskieren?«
»Euer teures Geld?«, fragte er. »Das ist stark, gerade wenn’s von Euch kommt!«
»Was meint Ihr?«
»Ihr habt keinen Pfennig in der Tasche, der wirklich Euch gehört.«
Er ist ein Gauner , erinnerte sie sich. Er redet im Kreis herum und versucht dich zu verstören . Er sah alles als Mittel zum Zweck an, Dieb und Lügner, der er war. Vielleicht wäre es schlauer gewesen, ihn zu durchbohren und seinen toten Leib dem König zu präsentieren. Tut mir leid, Eure Majestät, er hat’s nicht geschafft. Sie würde schließlich immer noch das Logbuch haben – und sicher würde alles ruhiger sein. »Kommen wir zum Geschäft. Sie werden Binns henken.«
»Ich bin kein Druckmittel.«
»Das weiß ich bereits.«
Er grinste. »War es eine schöne Unterhaltungslektüre? Gut. Dann nehmt mir doch bitte die Ketten ab.«
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, aber ich bin noch lange nicht überzeugt. Dass Binns Euch für vertrauenswürdig hielt, bedeutet mir unter diesen Umständen nicht viel. Ich kann einfach nicht glauben, dass Ihr ihn nicht
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