Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
den Blauröcken ausgeliefert habt.«
»Ich war aber nicht dabei.«
»Nein, das wart Ihr nicht.« Sie beugte sich vor, legte die Hände auf den Tisch und starrte ihm böse ins Gesicht. »Nach Aussage des Hafenmeisters seid Ihr damit beschäftigt gewesen, ihn mit einer Schlacke zu bestechen, die verzaubert war, um wie Gold auszusehen.«
»Das sieht schon so aus.« Er warf einen Blick auf die Pflanze. »Achtet darauf, die Sanguina zu gießen, ja? Sie ist ein bisschen empfindlich.«
Die Pflanze war also die Sanguina. »Eure Pflanze ist das Letzte, worum ich mir Gedanken mache.«
»Sie sollte aber das Erste sein.«
Jemand hämmerte laut an die Tür. »Falkin?«, rief Bardo von draußen. »Hier gibt es etwas, das du sicher sehen möchtest!«
McAvery hatte sich über den Tisch gebeugt; seine Ketten schleiften über den Lack. Er rieb beiläufig die dunkelgrünen Blätter seiner Pflanze mit dem Daumen. Sosehr sie sich auch aus seiner Gesellschaft fortsehnte, sie konnte ihn hier doch nicht einfach sich selbst überlassen. »Gehen wir.«
»Warum? Ihr seid der Kapitän.«
»Ihr kommt mit.«
Er stand auf und machte eine Handbewegung zur Tür hin. »Wie Ihr befehlt, gnädige Frau.«
Sie ging schon auf die Tür zu, überlegte es sich dann aber anders. »Ihr zuerst. Ich vertraue Euch nicht genug, um Euch im Rücken haben zu wollen.«
»Was könnte ich denn Eurer Meinung nach tun, solange ich diese Handschellen trage?« McAvery verzog schelmisch die Lippen. »Außerdem ist die Aussicht von hinten so viel schöner …«
Falkin legte warnend die Hand auf den Knauf ihres Degens. »Ich nehme an, ich könnte auch noch ausreichend gute Argumente finden, meinen Kapitän zu befreien, wenn ich Euren Leichnam als Beweismittel hätte.« Sie fing seinen Blick auf und starrte ihn an, ohne zu blinzeln.
Er seufzte und nickte. Falkin riss die Tür auf und winkte ihn hindurch. Bardo wartete vor der Tür. Er blickte nervös von McAvery zu Falkin und sah wie eine verängstigte Maus drein.
»Der Kerl hier glaubt, dass ihm das Schiff immer noch gehört«, sagte sie und rollte mit den Augen. »Achte gar nicht auf ihn. Was soll ich mir denn deiner Meinung nach ansehen?«
»Ein Schiff, Kin. Aus Pecheta, noch ein ganzes Stück entfernt.«
»Parallel zu unserem Kurs oder so, dass es unseren Weg kreuzt?«, fragte sie und zog die Kajütentür zu.
»Ein gutes Stück weit weg, schneidet unseren Kurs«, sagte er und nickte. »Kommt aber rasch näher.«
Sie klopfte ihm auf die Schulter. »Gut gemacht. Geh und sag den Kanonieren Bescheid.«
»Aye aye, Kin«, sagte Bardo und eilte davon.
Jarvis stand ein paar Fuß entfernt. »Willst du, dass ich ihn zurück in seine Zelle bringe?«, fragte er und zeigte auf McAvery.
»Nein«, sagte sie. »Ich muss noch ein paar Antworten aus ihm herausbekommen. Kette ihn an den Hauptmast und begib dich dann auf deinen Posten.«
McAvery runzelte die Stirn. »Es wird mir schwer fallen, Euch irgendetwas zu erzählen, nachdem ich unter einem zerbrochenen Mast zerschmettert wurde.«
»Dann betet Ihr besser, dass es nicht so weit kommt.«
Falkin überquerte das Deck und kletterte die Achterdecksleiter hinauf. Der Rote Tom hatte eine Hand am Steuerrad. In der anderen hielt er das Fernrohr, durch das er aufmerksam blickte.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du dich ausruhen sollst.« Er zuckte die Schultern, und sie beschloss, nicht weiter in ihn zu dringen. »Rede mit mir, Tom.«
»Schiff aus Pecheta, kommt von Westen auf uns zu. Kleines Ding, acht Geschütze, schätze ich, aber aus dieser Entfernung könnte ich mich auch irren.«
»Verfolgt es uns?«
Er reichte ihr das Fernrohr. »Schwer zu sagen. Könnte genauso gut einfach nur in dieselbe Richtung segeln.«
Falkin hob das Fernrohr ans Auge. In der gleißenden Mittagssonne war es schwer, die Einzelheiten des näher kommenden Schiffs zu erkennen, abgesehen von der Flagge, die oben am Hauptmast flatterte: Scharlachrot mit schwarzem Rand und einer leeren, schwarzen Schlinge in der Mitte. Die Flagge eines Kopfgeldjägers.
»Verdammt. Sie haben uns schon Jäger nachgesandt!
Der verfluchte Axel muss um die Auspeitschung herumgekommen sein.« Sie seufzte. »Sieht aus, als wäre es vielleicht an der Zeit – für einen richtigen Kampf.«
»Willst du, dass ich den Befehl dazu gebe?«, fragte Tom.
Der Befehl, sich kampfbereit zu machen, war auf Binns’ Schiff immer Aufgabe des Maats. Falkin zögerte. Sie hatte den Befehl schon viele Male gegeben, ohne groß
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