Die magische Fessel
durchsichtig, doch wie hatten sie, wie hatte sein ganzer Körper in allen Farben gestrahlt, als Oomyd ihn erfüllte!
Jeder der Diener vermochte Oomyd auf seine eigene Weise zu spüren. Tartan wartete verzweifelt darauf, daß die Farbe in seine Glieder zurückkehrte. Oomyd lebte im Stein. Seine Macht mochte geschwächt sein, doch alles in Tartan weigerte sich, an Oomyds Tod zu glauben. Oomyd mochte die Diener nicht mehr erfüllen können, doch mußte er im Stein seiner Tempel weiterleben!
Die Hände blieben farblos. Nichts sprach aus der Wand. Sie war tot.
Mit einem Aufschrei drehte Tartan sich um. Er verfluchte Koon, der das Unheil heraufzubeschwören schien, der die Diener gegeneinander aufhetzte, denn was sonst erhoffte er sich von seinen düsteren Vorhersagen!
Makbor stand vor dem Hünen.
Er hatte sich von hinten genähert und zuckte nun leicht zurück, wie bei einer Missetat ertappt. Etwas in den Knopfaugen des Zehnbeins warnte Tartan. Aus ihnen sprach nicht mehr Angst, sondern…
Aus weiter Ferne war der Schrei eines Wesens zu hören, ein Schrei in höchster Not. Dann schlugen irgendwo Klingen aufeinander.
Alles geschah nun viel zu schnell, als daß Tartan es hätte begreifen können. Makbor sprang. Tartan war wie gelähmt. Bevor er auch nur eine Abwehrbewegung machen konnte, klammerte Makbor an ihm und riß ihn durch die Wucht des Aufpralls mit sich zu Boden. Makbors Beinenden drückten sich schmerzhaft in Tartans Fleisch. Die beiden tödlichen Scheren rechts und links der Mundöffnung schnappten auf und zu, näherten sich gierig Tartans Hals.
»Aufhören!« schrie der Hüne. »Hör auf, im Namen Oomyds!«
Nur wütendes Kreischen antwortete. Makbors Augen brannten in reiner Mordgier!
Tartan war gezwungen, um sein Leben zu kämpfen. Makbor mußte in kalter Berechnung seine Chance gesucht haben, den Bruder anzugreifen. Schon stachen die Spinnenbeine in Tartans Lungen, als Tartan die Benommenheit endlich abschüttelte und sich wehrte. Noch wollte er nicht töten, noch war die Kraft in ihm, die plötzlich erwachte Gier niederzukämpfen. Tartan wälzte sich mit Makbor über den harten Steinboden, seine Fangarme entrollten sich und griffen nach des Gegners Beinen und Scheren. Eine Hand stieß das aufgerissene Maul Zehnbeins zurück. Tartan kam frei und schleuderte Makbor gegen die Wand.
Das Zehnbein dachte gar nicht daran, das Weite zu suchen. Blitzschnell stieß es sich wieder ab, kaum daß Tartan auf den Füßen war. Wieder krallten die zehn Spinnenbeine sich um Tartans Leib, und jetzt war es der kalte Zorn, der die Abwehr bestimmte. Makbor ließ sich nicht mehr so leicht abschütteln. Die Beine waren schneller als Tartans Fangarme, fanden immer neuen Halt und drückten mit mörderischer Kraft.
Etwas, das schon immer in Tartan geschlummert zu haben schien, befreite sich mit der Heftigkeit eines hereinbrechenden Sturmgewitters, als Makbors Scheren zuschnappten und einen Fangarm abbissen. Tartan sah die Welt um sich herum nur noch wie hinter einem blutroten Schleier. Er packte den Bruder, riß ihn sich mit allen vier Armen vom Leib und schleuderte den zuckenden Körper mit fürchterlicher Wucht zum zweitenmal gegen die Wand. Makbors schriller Schrei ließ die schwere Luft erzittern. Eine Spur von gelbem Blut ziehend, rutschte das Zehnbein an der Mauer herab. Tartans Fangarme peitschten, die Scherenenden stießen in Makbors Leib und zuckten erst zurück, als der Gegner leblos am Boden lag.
Und Tartan tobte weiter, riß Steine aus dem Halbrund des Eingangs, nahm das Schwert und stieß es in Mauerritzen, bis er am Ende vollkommen erschöpft hinsank.
Es war wie das Erwachen aus einem tiefen und bösen Traum.
Tartan sah das, was von Makbor übriggeblieben war, und konnte nicht fassen, was er getan hatte. Gleichzeitig jedoch spürte er tief in sich das schreckliche Verlangen nach weiterem Kampf.
Hilf mir, Oomyd!
Doch Oomyd schwieg, und der Tempel schwieg. Nur von irgendwoher tief in der Anlage kam der markerschütternde Todesschrei eines Wesens.
Tartan sprang auf die Beine und rannte aus dem Gemach hinaus. Die schmalen, tiefen Gassen zwischen den hohen Mauern waren verlassen. Tartan sah keinen der Brüder, und doch waren sie da, sie alle, die nun nur noch ein Ziel zu kennen schienen.
Koons schreckliche Worte!
»Nein!« schrie Tartan.
Er lief den Weg zurück, den er gekommen war, und hin zu Koon, der in seiner Behausung auf ihn wartete, als hätte er um sein Kommen gewußt. Koon ruhte auf einem Lager
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