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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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ich halt' es nicht mehr aus . . .«
    »Man kann sie nicht stoppen,« belehrte mich Marlies, »ohne sie kaputt zu machen. Aber wir können sie ins Parterre hinunterschaffen; dort fallen sie uns weniger auf die Nerven. Ich habe dir ohnedies wichtige Sachen mitzuteilen; ganz unter uns!« Sie machte verschmitzte Augen. »Da ist eine Falltür; die erspart uns die Treppe. – Schau' einmal hinunter!« – Ich hob die Falltür auf und blickte von oben in den Saal hinab, der die ganze Breite des Parterres einnahm. Er war leer; an allen Wänden waren Spiegel. In der Ecke stand ein Piano, dessen Tastatur eine einzige Oktave umspannte. – Drei Kronleuchter brannten.
    »Also gut! Werfen wir sie alle in den Saal hinunter!« rief ich unternehmungslustig und war schon bei dieser Arbeit. Zarte Rücksicht gab es nicht diesen mörderischen Mechanismen gegenüber. – Die Zwillinge kamen zuerst dran. Auf ihnen landete die Gouvernante; sie bildete ihrerseits wieder die Unterlage für den General. Der grüne Soldat fiel angenehm weich auf den elastischen Filzbauch des Börsenmagnaten. – »No was denn?« schrie dieser, unentwegt weiter gestikulierend. Das Gastgeberpaar und den »geistigen Arbeiter« mit der Mähne feuerte ich hinterdrein, und als Schlußeffekt die beiden Dienstboten. Es war ein Gekrabbel und Tohuwabohu, als habe man einen Sack voller Maikäfer drunten aufs Parkett entleert. – Ich klappte die Falltür zu, und der Lärm dämpfte sich.
    Auf einmal schien mir, als werde der Klang viel erträglicher. Verblüfft legte ich mein Ohr wieder auf den Boden. Was hörte ich denn? Was war denn das? Herrschte nicht eine ruhige, vollkommen menschliche Konversation dort unten? – Eine Täuschung war unmöglich . . .
    – – – ». . . Exzellenz!« sprach eine spitzige Stimme (war das die Gouvernante?): »Sie verzeih'n; aber Ihr Antrag kommt mir so unerwartet . . .«
    – – – »Ah bah!« erwiderte ein fettiger Baß unter klirrenden Orden, »immer schon Absicht jehabt, Attacke zu reiten! – Die charmante Jelejenheit . . .«
    Die Schritte entfernten sich; neue tauchten auf.
    – – – ». . . Sie werden sich das überlegen, junger Mann!« tönte ein gepflegtes männliches Organ – (der Gastgeber?) –: »Ihre politische Überzeugung ist solange nicht meine Sache, als sie sich in einigermaßen gesellschaftlichen Formen hält . . . Aber Herrn Kommerzienrat Trommelfell in meinem Hause zu beleidigen, das geht zu weit  . . .«
    Es trippelte. »Papa!« fuhren die Kinderstimmen dazwischen. »Wir dürfen doch heute ausnahmsweise bis zwölf aufbleiben?«
    Pause.
    Die Gouvernantenstimme, hingehaucht: »Ehe ich Ihnen mein Jawort erteile, Exzellenz . . .«
    Grollendes Räuspern, stampfende Schritte. – Vorbei.
    – – – ». . . Man fragt sich immer wieder vergebens,« dröhnte jetzt ein sonor ekstatisches Organ (das konnte nur der langhaarige Komponist oder Dichter sein), » wie sind wir hierhergekommen? – Ist draußen nur schwarze Nacht, oder gibt es viele Häuser wie dieses? – Und geht in ihnen Ähnliches vor? – Wird auch dort ewig nur Tee getrunken? – Ist dies alles nur (wie soll ich sagen?) leeres Theater? – Machen wir uns nur etwas vor?«
    – – – »Junger Mann!« tönte die Backenbartstimme des Hausherrn. – »Sie Schelm, Sie philosophieren ja wieder . . . ›Macht eine Ewigkeit aus dem Augenblick!‹ – sage ich immer. ›Dann dauert er ewig!‹ – Kürze wird Würze!« – Es erhob sich Gelächter, als ob er einen wunderbaren Witz gemacht habe. – »Und jetzt, geschätzter Meister, geben Sie uns Ihre letzte Komposition zum besten!«
    Daraufhin, in gespannter Stille, wurde auf dem Piano die eine vorhandene Oktave langsam hinaufgeklimpert.
    Brausender Applaus.
    Langsam kletterten die Töne wieder hinab.
    Die Begeisterung stieg; das allgemeine Gespräch schwoll wieder an. Mir war übel; ich erhob mich vom Boden. – »Marlies,« fragte ich entsetzt, »was soll all dies irre Geschwätz? Bin ich wirklich im Tollhaus?«

Unter Larven
    Lieber Mark,« sagte Marlies vertraulich, »du bildest dir ja nur ein, du habest etwas gehört. Denn nun ist die Zeit vorbei; die Uhrenfedern wirken nicht mehr.«
    »Aber ich hörte doch Worte, Schritte,« meinte ich fassungslos.
    »Ja, ja, – in deinem Kopf!« erwiderte sie schlicht. »Ich will dir's beweisen.«
    Sie nahm mich bei der Hand und führte mich die Seitentreppe ins Parterre hinunter. Da war die Tür zum großen Saal. Aber es war mäuschenstill

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