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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Katzenpfoten . . .«
    »Aber nachts?«
    »Ja, nachts . . . das ist meine Stunde. Du hast mich ja schon gespürt; ich war bereits ziemlich stark. Hast Du nicht das Krachen im Holz gehört, als ich meinen Durchtritt erzwang in deine Welt? Vielleicht bin ich auch stark genug das nächste Mal, um die Lampe selber auszulöschen . . . Nacht für Nacht werde ich mich vollsaugen an deiner Liebe . . . Immer stärker werde ich werden; mästen werde ich mich . . .« Ich begriff nicht, warum mir auf einmal graute. Ihr Gesicht schimmerte, als sei es von Tränen naß. Doch ihre Lippen waren emporgezerrt über durchsichtig blasses Zahnfleisch, und ich sah, wie sich ihre Zunge spitz dazwischen regte . . .
     
    Ich weiß nicht, wie lange jenes eigentümliche, einzigartige Gespräch noch dauerte; ich rekonstruiere es, meine Herren, hier vor Ihnen, so wie man einen äußerst lebhaften Traum mit Worten nachbildet. Die Hauptsache bleibt: der Sinn der Unterhaltung glomm in mir fort wie ein Grubenlicht.
    Es war hoher Vormittag, als ich seltsam zerschlagen auf meinem Bett erwachte.
    Ich untersuchte das Puppenhaus: alles entsprach jener Traumsituation. Hier war das Treppchen, hier der Salon, hier das Falltürchen . . . Und unten lagen die Figuren auf einem wirren Haufen.
    Nach Entfernung der Hausfront nahm ich sie heraus. Ich wollte die Situation für das nächste Mal probeweise ändern. Den General und die Gouvernante setzte ich in den Salon. Die Gastgeberfamilie legte ich in die vier Betten des Schlafzimmers. Den grünen Soldaten sperrte ich in die Besenkammer, und den Rest verteilte ich auf die übrigen Räume. Ich hatte dabei die läppische Hoffnung, es »interessanter« zu gestalten.
    Diesen Abend manifestierte sich Marlies schon verblüffend deutlicher. Zunächst geschah bei völliger Windstille ein rüttelndes Klirren an den Scheiben, das ums ganze Haus herumwandelte.
    Dann trat der Spuk ins Haus, ich hörte das Krachen dreier zugeschlagener Türen, so heftig, daß der Kalk hinterdreinrieselte. Ich stand auf und sah nach: alles war in Ordnung.
    Mit einemmal geschah ein Geräusch wie von berstender Seide ganz in meiner Nähe . . . Ein rattenfüßiges Etwas raschelte am Ofen und dann schoß jemand unter dem Tisch wieder eine Pistole ab.
    Ich bettete mich schnell, legte mich zurecht und beobachtete die Lampe. Nach fünf Minuten machte sie: pfütt! Sie blakte mehrmals auf; dann ging sie aus. Mein Herz plumpte wie erfroren in einem Brunnen.
    Gleichzeitig spürte ich erneut die angenehm saugende Schwäche, als ich so vorgebeugt saß; etwas Glattes, Eidechsenhaftes, was an mir zerrte. Wieder wuchs mir das beleuchtete Puppenzimmer aus der Schwärze entgegen; ich trat hinein und war zunächst mit dem General und der Dame zusammen im Zimmer. Dieselbe schwebende, marternd-erwartungsschwangere Stille . . . Dann klappte wieder drunten die Haustür und Schritte kamen herauf. Durch die Salontür schob sich ein Page herauf. Er trug einen grauseidenen Kittel von der Farbe der ersten Frühe, Fallkragen aus alter Spitze, weinrote Knierosetten und Schnallenschuhe. Er stemmte die Hände in die Hüften und sagte mit lauter lustiger Stimme: »Na; du hast ja diesmal eine schöne Konfusion angerichtet mit den Leuten hier.«
    Es war Marlies.
    »Komm einmal« – und sie ging zur Schlafzimmertür – »vielleicht bist du heute wieder hellhörig . . .«
    Ich lauschte. Drinnen hörte ich ein Gähnen, und eine weibliche Stimme sprach:
    – – – »Eigentlich ist es mir zu peinlich! Wir liegen hier im Bett, und dabei ist das ganze Haus voller Gäste!«
    Ich horchte noch aufmerksamer: überall im Hause hörte man Stimmen.
    – – – »Wie kommt denn das?« setzte die männliche Stimme dagegen, ziemlich ratlos. »Haben wir doch noch soeben . . . Tee getrunken? Oder wie?«
    Ich riß die Tür auf. Vier Puppen lagen hier reglos in den Betten in unbequemen Stellungen und glotzten aus blanken Augen an die Decke. Marlies tanzte hinter mir vor Vergnügen. Wir traten nun ganz ins Schlafzimmer und schlossen die Tür. Flugs drang es aus dem Salon:
    – – – »Welch seltsamer, welch schicksalsmäßiger Zufall, geliebte Klotilde, daß wir diesen Salon ganz für uns haben!«
    – – – »Exzellenz! Treiben Sie nicht Ihren Scherz mit einem schutzlosen Mädchen . . .«
    – – – »Ich scherze nicht!« dröhnte der Baß. »Nie war mir weniger scherzhaft zumut . . . Nenne mich Du . . .«
    »Puh!« schrie Marlies und sprengte

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