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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Bibelsprüche ihn ohne weiteres überzeugten.
    Mit einer heftigen Bewegung zog er die goldene Schnappdeckeluhr und nahm sich vor, genau noch fünf Minuten zu warten, bevor er die Angelegenheit anderen Wohltätern überließ. – Er sprang auf und ging schnell auf der Bastmatte hin und her. Da er dabei an einen Spiegel geriet, bot ihm die Betrachtung der eigenen Person flüchtige Zerstreuung. Er konnte nicht umhin, sich selbst mit einem gewissen grimmen Wohlwollen zur Kenntnis zu nehmen. Patent, ja, das war das Wort. Und das wollte was heißen in diesen Zeitläuften. – Seidenes Hemd, guten Schneider, hellgrau Flanell und spitze Schuhe mit Glanzlederkappen. Wer lacht da? – Bauchansatz. Runde Figur. Das Gesicht rosa, vollkommen haarlos. Haare stören den Masseur. Sein Schädel glänzte hell himbeerfarben. Die Bäckchen sackten ein wenig, der Mund war leicht zur Hufeisenform gezogen durch ihr schütteres Gewicht; das Gesicht war wie aus einem soliden Gelee, das nur durch das Erdbeben einer Gemütserschütterung zum Zittern zu bringen war. Jetzt ließ der Zorn es zittern.
    Herr Ziehlke trug auf dem Sattel der großen Nase eine Hornbrille, seit er durch den hurtigen Anschluß an die Heeresversorgungsstelle in die Intelligenzklasse aufgerückt. Hinter dieser Brille drangen große, runde, wasserblaue Augen auf den Beschauer ein, unter wagerechten rosa Hautwülsten, von der leeren Intensität, mit der ein lauerndes Amphibium die Welt betrachtet. Und so wie ein solches ganz jähe Sätze macht nach stundenlanger Überlegung, so hatte auch Herr Ziehlke nach monatelanger Begrübelung seiner Chancen einen jähen und zielbewußten Satz gemacht in jene von selbst funktionierende Kriegsfutterkrippe hinein. – Darin saß er nun in einem Hagel von Bestellungen; er war der Situation nicht ganz gewachsen, denn sie trug zu sehr das Gepräge einer temporären Zweckgründung, die auffliegen mußte mit Kriegsende. Es hieß, ständig die Ohren steifzuhalten, und das machte ihn nervös. –
    In immer steigendem Zorn nahm er seine Wanderung wieder auf. Eine Minute noch! Es war doch toll, was man ihm zumutete! Und wie die Weiber ihm in den Ohren gelegen hatten! Logik haben sie nun mal nicht, und gegen eine Verschwörung, wo bei ihnen das Gemüt mitspricht, zieht man immer den kürzeren . . .
     
    Herr Ziehlke stand durchaus nicht auf, als sich jetzt die Tür öffnete und ein Beamter das stellungs- und herkunftslose Individuum vor sich herschob. Es mußte geschoben werden, denn selbst hatte es keine Eile.
    Der Fabrikant beugte sich leicht im Stuhl vor, rückte an seiner Intelligenzbrille und stemmte die Handrücken auf die gespreizten Knie. Der Knabe betrachtete ihn mit halboffnem Mund. Herr Ziehlke sagte mürrisch:
    »Das hab' ich gern, mein Sohn. Behalt' nur ruhig die Hände in den Taschen. Is ja auch viel bequemer. Keinen Namen vor Gott und der Welt und keinen roten Marawedi im Kapital; aber reingetrudelt kommt man wie der Kronprinz.«
    Von dieser Anrede verstand der Knabe offenbar nichts, denn seine saloppe Haltung blieb dieselbe, und er blickte fragend nach dem Aufseher.
    Dieser tippte ihm auf die Hosentasche. Nun begriff der Knabe und zog seine Hände hervor: frischgewaschene, seltsam langfingrige und schmale Hände. Dann lächelte er langsam, als handle es sich darum, die Laune eines Originals zu befriedigen, und fragte:
    »Bitte sehr?«
    »Wissen Se, Herr –« sprach der Aufseher, ein braver Fünfziger mit eckigem Schnurrbart, – »Sie dürfen es ihm nicht verübeln. Er hat nun die lange Leitung. Er macht ja alles; nur mit die Verstehste, da hapert's noch so'n bißchen. Er ist hier oben in der Denkabteilung, wissen Se, nich jenüjend einjedeckt; 'n bißchen ausjeleiert, wenn ich so sagen darf. – Wer kann wissen, ob se ihn nich schon mal auf 'n Kopp jekloppt haben mit 'nem Jewehrkolben, un' nu kann er nich logisch mehr denken, so stell' ich mir das vor.«
    »Und ich, –« sagte Herr Ziehlke durchaus nicht besänftigt, – »ich stelle mir vor, daß er'n ganz gerissener Simulant is – Is es so, mein Jung', oder is es nich so?«
    Der Knabe gab ein Kichern von sich; fröhlich und harmlos. – »Sie sind komisch «, sagte er mit mutierender Stimme und betrachtete voll erfreuten Interesses Herrn Ziehlke.
    Dieser bekam einen lachsroten Kopf. –
    »Jetzt sag' nur noch –« und er steigerte sich zum Schmettern – »sag' nur noch putzige Kruke zu mir oder alter Schäker. – Dann hat's aber geschnappt.«
    Der Knabe wurde langsam

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