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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Khaki oder in Putties steckenden Beine aufeinandergeschichtet oder durch Stuhllehnen oder Tischkanten in Schwebe erhalten), so machte er eine verbindliche Kopfneigung nach ihrer Richtung, lebhaft lächelnd, und sagte scharf: »
Evening, gents
«, worauf sie die hölzernen Finger an die Schläfen schoben und im Chor zurücksangen: »
How d'ye do, Eddy.
« – Es kam vor, daß er an ihren Nachmittagsgelagen teilnahm; es kam vor, daß er so recht eigentlich einer der Ihren sein durfte; daß sie ihn traktierten und sich von ihm traktieren ließen; daß sie ihn auf die Schulter schlugen und ihn »
jolly good sport
« nannten. – Das waren seine Höhepunkte, wenn er sich auch zuweilen bei ihren respektlosen Späßen innerlich krümmte. Das mußte eben in Kauf genommen werden.
    Er hatte dann gewöhnlich, gleichsam zur Erholung nach dieser Anstrengung, noch eine zwanglose Unterhaltung mit dem irischen Buchhalter Maloney. Diesem gegenüber fühlte er sich ziemlich ungebunden. Schwebten ihm die Engländer als höhere Daseinsform vor, so erschien ihm Maloney, als in abhängiger Stellung und als Kelte, wie prickelndes Sodawasser, womit er den scharfen Brand der britischen Originalfüllung mildernd löste. – Und Maloney, gute Seele, nahm ihn blutig ernst und sparte nicht mit gutem Ratschlag sowohl Behandlung der Herrenmenschen betreffend als auch die Erholungsmöglichkeiten in dieser äußerst bunten orientalischen Stadt.
    – – – Die Zenitsonne, die unbarmherzig ihre zwölf Stunden hindurch den dampfenden Hafen bestrahlt, geht zu Rüste. Steil hat sie ihre Lichtwellen herabgetrieben und alles in einen Brodem von Staub und Gerüchen gehüllt. Ebenso steil aufstrebend hat ihr das Leben Widerpart geboten mit dem leuchtenden Trotzdem, das aus Grundwassern sein Mark saugt. Doch auf dem Europäer lastet die funkelnde Faust wie ein Fluch. In kühle Steinhäuser verkriecht er sich; ins Dämmerlicht abgeblendeter Kontore; nur unersättliche Erwerbsgier vergewaltigt die matten Finger an Schreibmaschinen, zwingt das Hirn zum Kalkulieren und die widerwilligen Lippen zum Sprechen.
    Nun ist das vorüber. Es geht gegen halb sieben Uhr. Die Sonne sinkt steil in den Westen: eine ungeheure, zerfetzte Orange, die langsam herabsackt, von einer Armee von Wölkchen belagert und verschlungen. Der Südwestmonsun hat sie regimenterweise aufgereiht, hat rhythmisch zum Sturm geblasen: nun kleben sie, unter seiner Peitsche erstarrt, als rillenartig gemusterter Fächer an einer Wand von Türkis. Und dieser Fächer glüht immer intensiver orangefarben; er schillert ins Rostbraun hinüber. und das grüne Blau weicht einem gleichmäßig bengalischen Gelb, vor dem alle Dinge sich schwärzen.
    Dies ist nun so: alles Volk wird munter, wenn der Sonnenfluch erlischt. Endloses Gekrabbel und Geschrei erwacht in den Höhlen der Chinesen- und Malaienstadt, unter den Arkaden der blau und rot getünchten Häuser. Die Bazarbesitzer schöpfen Mut, und ihre schmeichelnden Plauderstimmen werden laut. Glücksspiele rasseln, Singsang durchwebt den Lärm. Der Staub setzt sich; Rikschas rollen. Farbig erwacht das Laster, mit roten Zähnen lächelnd, und geht, nacktfüßig tastend, vorgeschobenen Leibes, seine Bahn . . . Und überall brutzeln fahrende Garküchen.
    Auch die Europäer werden munter und atmen auf. Denn diese Abendstunden sind die wahrhaft erträglichen, in denen man wieder Mensch wird; eine kühle Brise weht. Mit dem Sonnenuntergang fällt das Thermometer sprunghaft um sechs Grad . . . Noch ist es warm; aber der plötzliche Fall bewirkt ein rapides Verdunsten des Schweißes auf lechzender Haut, so daß man noch dazu nach einer Dusche ganz in wohlige Kühle gepackt ist.
    Ist es schwarze Nacht (und keine Nacht ist so schwarz wie die Tropennacht, von silbernen, lichtschwachen Sternen durchstochen), so sitzt man auf der Terrasse und lauscht einer Kapelle von malaiischen oder Halfcast-Musikanten, die europäische Musik, wie sie's verstehen, vom Blatt spielen . . . Am besten gelingen ihnen noch bekannte Schlager. Verirren sie sich aber in »klassische« Musik, so verschwimmen sie in nie gekannten Rhythmen. Es ist, als ersticke man vertraute Klänge unter schwülem Tuch. Oder als lasse man die Weisen bei erschöpfter Grammophonfeder langsam krepieren. Wagners forsche Sinnenfreude wird zum quiekenden Chaos, und aus dem Klangkörper wird ein Klangkadaver, der sich dumpf zersetzt.
    Und doch wird diese östliche Kränkelei, an der die Musik leidet, zu einer

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