Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
Vom Netzwerk:
weh.«
    »Magda! Er ist ja dein Vater; vielleicht hat er recht. Jedenfalls das, was er will, hat er nun. Und schließlich besser noch Herrn Ziehlke zum Vater, als gar keinen. – das solltest du dir sagen.«
    Sie leuchtete auf. – »Ach, Juan, – du hast ja keine Eltern mehr . . . Und ich hab' sie wenigstens noch beide . . .«
    Er ließ dies letztere Thema auf sich beruhen; – wie er denn überhaupt erstrebte, den gesamten Ziehlkeschen Haushalt, Magda ausgenommen, auf sich beruhen zu lassen.
    Dies ganze Milieu von Bronzebüsten, Meerschaummöpsen und Seifenkonjunkturen war ein Bild, das der Krieg in einer Anwandlung von trübem Humor heraufgespült hatte – und dann wieder verschlungen. –
    Er beschäftigte sich daher damit, der verdutzten Magda ganze fünf Minuten andächtigster Hingabe zu widmen und ihr Gelegenheit zu geben, ihre Erfahrung mit ›südlichen Naturen‹ ganz bedeutend zu erweitern.
    Als ihnen wieder einfiel, wo sie waren, beschloß er:
    »Ich würde dich gern auch Dolores nennen – wie meine Schwester. – Aber du bist mir mehr als Dolores. – Du wohnst nicht nur im Mond . . .«
    »Ich wohne, wo du willst, Juan. – Nur hier darf es nicht sein. Es gibt jetzt zu wenig Sonne in Deutschland.«
    Herrn Zinkeisens eigene verwunderliche Geschichte

Der Musterkoffer
    Wo steigt man in Singapore ab?
    Natürlich im Adelphi-Hotel. Wiewohl viel englisches Publikum dort verkehrt, ist man als »Fremder« – als »Europäer« schlechthin – nicht ganz isoliert, da auch andere Leute dort anzutreffen sind, die nicht das beneidenswerte Glück haben, britisch zu sein. – Dorthin also ließ Herr Zinkeisen seinen großen Kabinenkoffer und seinen Musterkoffer schaffen; er war nicht das erstemal, verstehen Sie, in Singapore, und kannte auch genau die Trinkgelder. Fröhlich ließ er sein völlig ausreichendes Gebrauchs-Malaiisch erschallen und wählte sich an der Werft selbst seinen Rikschakuli aus.
    Die ersten Tage seines diesjährigen Aufenthaltes (man zählte Mai 1914) waren der Aufnahme alter Geschäftsverbindungen gewidmet. Um vier Uhr nachmittags von den Boys angemeldet, zeigte er sich in einer adretten Aufmachung, die nicht zu überbieten war, im Rahmen der hölzernen Verschläge, der tropischen »Empfangsräumchen«, im Hof des Hotels. Ebenso stämmig und seifig duftend erschien er auf den Wandelgängen des ersten und zweiten Stockes (durch deren Bögen man hindurch eine Aussicht auf den Platz der St. Andrews-Kathedrale genießt) und klopfte diskret in Kopfhöhe an den Klapptürchen. – Gewöhnlich war das Echo seines Erscheinens zunächst ein langgezogener Fluch; hierauf ächzte es noch, räusperte sich und spie Tabak, und endlich tönte eine gottergebene Stimme: »
Come in...
«
    Ging Herr Zinkeisen dann wieder, so hatte er gewöhnlich die Herzen gewonnen oder doch zum mindesten den Humor dieser vertrackten Burschen, wie er die Engländer nannte, in Schwingung versetzt. Dies zeigte sich darin, daß eine grinsende Figur im Schlafanzug ihm gewöhnlich persönlich die Klapptür öffnete und ihn hinausgeleitete. Im übrigen schonten sie seine Würde nicht, die Engländer, beileibe nein. Sein Korrektheitsnerv hatte eine ziemliche Anzahl von Malen Gelegenheit, schmerzhaft zu zucken; und auf die geistigen Hühneraugen ihm zu treten, das liebten sie geradezu. – Aber wie schon angedeutet, nahm er das als Märtyrer des Völkerverständnisses schweigend entgegen, wie Schulterklapse des Schicksals selbst.
    Daß er Edmund hieß, hatten sie herausgefunden. Folglich war er für sie »Parademarsch« oder »
Goose-step-Eddy
«. Witterten sie ihn in der Nähe – (saßen sie etwa in der Halle drunten und er erschien am Kopf der Treppe), so flüsterten sie an ihren Pfeifenmundstücken vorbei: »
There ›floats‹ Goose-step-Eddy...
«, über welchen Wortwitz sie sich lautlos amüsierten. – Inzwischen »schwebte« Zinkeisen herab; das heißt, er kam, indem er seinem Bürstchen selbstvergessen gezwirbelten Aufschwung zu geben versuchte, steif die Stufen herabgewandelt und durchquerte die Halle mit strammem Schwengelwerk kurzer Beine in bretthart gestärkten Leinenhosen, – leuchtend weiß, im übrigen von rosiger Appetitlichkeit. In kleiner Entfernung hinter ihm drein keuchte der Boy, der den klirrenden Musterkoffer trug. Leise so von Klirren begleitet, schönste Verklärung seines Typs, zog er blendend am Horizont vorbei.
    Bei den Tischen angelangt, in deren Korbsessel die Engländer sich flegelten (die in

Weitere Kostenlose Bücher