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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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verstehen Sie, sonst gehe ich wieder von neuem unter, Nacht für Nacht . . . Es ist ohnedies nicht viel, was ich weiß. – Stellen Sie sich vor: das gewaltige Passagierschiff . . . Ich bin schon im Bett. Man musiziert, aber das hört man kaum. Es herrscht ein immerwährendes Dröhnen. Ich weiß, mein Vater ist nicht bei den Leuten; und auf einmal stehe ich auf und sehe Dolores an. Sie ist so hübsch in ihren Pyjamas; sie liegt in ihren rotgoldenen Haaren. ›Dolores,‹ sage ich, ›ich muß zu Papa.‹ – ›Wir müssen schlafen, Juan.‹ – ›Kommst du nicht mit?‹ – ›Nein,‹ sagt sie (und das war das letzte, was sie sagte) – ›ich versinke gerade so schön in den Schlaf .‹
    Und so gehe ich die Korridore hinunter; langgestreckte grüne Läufer, die sich in Dunkelheit verlieren. Kein Steward zeigt sich; keine Menschenseele nimmt sich meiner an. Denn ich habe die Kabinennummer des Vaters vergessen. Ich fühle, mein Vater sitzt hinter einer dieser vielen Türen, mischt seinen Scotch und erwartet mich . . . Auf einmal ist mir, als höre ich ein leises Pochen . . . Klopft er nicht, ganz nahe mir, seine Pfeife aus? Ich rufe . . . ich rufe . . . Ich finde ihn nicht . . .«
    »Weinen Sie, Juan, das erleichtert . . .«
    »Was hilft das, Don Alamos . . . Sie wissen ja; – dann kommt der – Stoß und dann noch ein stärkerer Stoß . . . Zwei Torpedos sind das; – – dann kommt dies Schreien, dies Durcheinander, diese Hölle . . . Der Gang ist voll wahnsinniger Menschen . . . Man drängt mich zum Deck; ich falle übers Geländer, unwiderstehlich hinabgestoßen. Ich schreie nach meinen Eltern, nach Dolores . . . Ich finde einen Rettungsring, ziellos hinabgeschleudert, und packe ihn . . . Boote preschen vorbei; Menschen hängen daran wie Trauben . . . Oben, hoch über mir, glitzert noch die vierfache Lichterschnur des Schiffes – dann erlischt sie, alles ist schwarz, und ich spüre einen furchtbaren Schlag auf den Kopf. Es muß ein Ruder gewesen sein von einem der Rettungsboote. Ich hänge im Korkgürtel; mein Kopf bleibt über Wasser, und so treibe ich in die Nacht hinein. Als ich zu mir komme, liege ich zwischen den Felsblöcken eines Gestades, und mir ist so, als beschäftige sich ein Mann mit mir. Dann weiß ich wieder nichts für lange Zeit.«
    »Ah – ein Fischer. Ein irischer Fischer.«
    »Vielleicht ein Fischer. Es muß einige Meilen von der Unglücksstelle gewesen sein; er hat allein gelebt, an einer unzugänglichen Stelle der Küste. Dies sind Kombinationen, verstehen Sie, Don Alamos. Andere Leute landen und nehmen mich auf einen Kutter. Ich bin wie betäubt; vielleicht ist es ein Schmuggelboot für Munition, und sie lassen mich arbeiten und aufpassen. Sie merken, daß ich zu nichts zu gebrauchen bin und werfen mich an einer Stelle der englischen Küste an Land. Von dort aus laufe ich ziellos weiter. Der Schlag auf den Kopf schmerzt noch immer – – wer hat mir denn den Schlag auf den Kopf gegeben? – Ich weiß es nicht mehr. Niemand kann es mir sagen. – Alles ist schwarz in meinem Kopf.«
    »Und jetzt ist hell, Juan.«
    »Ja, aber sie tut weh, diese Helle.«

Tausch der Namen und
Happy End
    Juan ahnte noch nichts von dem Kampf, der nunmehr um seine Person entbrannte.
    Er wußte nur, daß seinetwegen endlose Telegramme und private sowie offizielle Schriftstücke über den Ozean wanderten – (zwischen der chilenischen Gesandtschaft und einer Reihe von Familien, die den Namen Garcia mit Zusätzen trugen – Zusätzen, so alt wie die Gründung ihrer ersten Pfahlbauten im Ebro). Diese Korrespondenzen verschlangen ein kleines Vermögen – doch es verlohnte sich.
    Juan benutzte die Zwischenzeit, um sich die Haare wieder wachsen zu lassen. Man sorgte höheren Orts auch für eine englische Garderobe, für eine Ausstattung, die irgendwie an Touristentum mahnte. Es waren Golfhosen darunter und breite Wollkappen; es war seidene Wäsche und vieles mehr von dem, was ein achtzehnjähriges Herz erfreut. Vielleicht wollte man damit auch andeuten, daß sein Besuch in Deutschland unter dem Touristenpseudonym Ziehlke sich bald dem Ende nähere.
    Dies alles erfüllte den Rekonvaleszenten mit melancholischem Behagen. Magda war stets um ihn und sehr besorgt, wie es sich von selbst ergibt bei einem heiklen und tragischen Fall . . . Irgendeine Ehrfurcht lag in ihren scheuen Liebkosungen. Dabei ließ ihr Appetit immer mehr nach. Es wurde alles so kompliziert . . .
    Was

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