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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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aristokratische Äußere des jungen Majors, durch die gewissermaßen hilflose Partie seines schmalen, eckig vorgeschobenen Kiefers, gepreßten Mundes. ausladenden Hinterkopfes. – – – Ja, dieser war eindeutig genug behaftet mit Symptomen einer Herrenrasse, und zweifellos erwartete alle Welt, daß er sich entsprechend benehme. Irgendwie war es tragisch, so abgestempelt zu sein –, aber erhebend zugleich. Vor so etwas Abgerundetem mußte man den Hut ziehen.
    Herr Zinkeisen ließ sich durch seine Stimmung hinreißen, sein Augenmerk auf die Gruppe etwas zu deutlich zu richten – den Kopf, wie er's selten tat, schief geneigt, so daß der scharfkantige Kragenrand tief in die Halshaut schnitt und die sanfte Strenge seiner Augen durch Güte gemildert wurde. Man ertappte ihn dabei. »
Hello, Eddy!
« rief man. – »
Here 's to you!
«
    Alle am Tisch wandten die Köpfe und hoben die hohen zylindrischen Gläser; man rief noch weiter Nettes, schüttelte dann gurgelnd das Getränk hinunter; Sodabläschen platzten an rasierten Lippen; dunkle und graue Augen feuchteten sich . . . Herr Zinkeisen fuhr zusammen, sagte: »
Same to you, gentlemen
«, und trank seinerseits. Nicht ohne kleinen Mißton in der Seele erwischte er sich dabei, daß er die Hacken seiner ausgeschnittenen Lackschuhe klappend unter dem Tisch zusammenschießen ließ. Den Sperberblick auf die Gesellschaft gerichtet. tat er gewaltige Züge; dann stemmte er mit rechtwinklig geknicktem, wagrecht zur Seite gestoßenem Ellenbogen das Glas eine Sekunde in die Luft, vor seine Nase, bevor er es knallend niedersetzte.
    Man genoß diese unbewußte Geste außerordentlich. – »
Good pull, eh!
« rief man hinüber, voll gedämpfter Anerkennung. – Mr. Prendergast nahm ebenfalls Notiz, jedoch auf eine so unbeteiligte Weise, daß man sofort erriet, seine Gedanken seien durchaus nicht auf den strammen kleinen Deutschen gerichtet, sondern auf wesentlich Bedeutsameres. Wenigstens war Herr Zinkeisen für ihn aus Glas. Vielleicht aber war der Major nur sehr betrunken, bei völliger Beherrschung seiner Bewegungen. – Auf einmal, gänzlich unvermittelt, rüstete er zum Gehen.
    »
Come on
«, rief man hinter ihm drein, und noch einiges des Inhaltes, er solle seinen Gram versaufen und sich nicht närrisch aufführen; so ein Kerl wie er hätte tausend andere Möglichkeiten, und was solcher herzhaften Zurufe noch mehr waren . . . aus denen Herr Zinkeisen vielleicht nicht mit Unrecht schloß, der junge Mann leide an Liebesgram. Da er keine Lust hatte, sich ein neues Glas zu bestellen, unterschrieb er den Quittungszettel für die genossene Mahlzeit und beschloß, sich noch zu verlustieren.

Kulis und Opera Stamboel
    Er stand in der Halle. Die Lichtflut des Hotels fiel über die Coleman Street und badete noch, an der langgestreckten Mauer der Esplanade, unter den staubigen Schirmkronen der Banjanbäume eine lange Kette feiernder Rikschas. Die wenigen Kulis, die zugegen waren, hockten zwischen ihren Handdeichseln und kauten aus Kokosschalen ihre Bohnen- und Reisgerichte, die sie sich, auf Blättern serviert, von den fahrenden Küchen hinter dem Hotel geholt. Einige rauchten in Stellungen äußerster Erschöpfung, die eckigen mageren Glieder gespreizt, und starrten unter ihrem verfilztem Zottelhaar hervor in die ihnen ewig verschlossene Lichtwelt des Hotels, wo sich weiße Gestalten nach geheimnisvollen Riten bewegten . . .
    Aus der Marmorhalle trittst du, aus durchaus vertrauter Welt, und plötzlich (ins selbe grelle Licht geschoben das du dir zur Beleuchtung der eigenen schweratmenden schweißfeuchten Person, zur Illuminierung deiner nichtssagenden vergänglichen Gesten entfacht hattest) liegt ein Gesicht vor dir auf einer Rikschadeichsel; ein Gesicht aus Nacht; aus braunpoliertem Holz mit schiefen, schwarzen Augen, die dich mustern . . . Rattenaugen sind's, ewig lebendige, die dich einfangen, abgrasen und verdauen wollen; in ihrem Pechglanz kann der Hoffnungsfunken, dich einmal auch verstehen zu dürfen, statt dich ewig hassen zu müssen, nie erlöschen . . .
    Die korbähnlichen geflochtenen Hüte haben sie abgetan, die Kulis. Auf ihren metallnen, sehnigen Körpern, die nach wenigen Jahren endgültig verbraucht sind, wie die unmäßig beanspruchter Jagdhunde, ruht die jahrtausendalte Sklaverei. – Stimmt etwas mehr zur Ehrfurcht, als ein älterer Rikschakuli? »Seht her«, sagt er mit seinem ölig glänzenden, zu zerknittertem Pergament gedörrten Gesicht, und

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