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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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selben Tag herausfliegt, was der Tag bringt. Doch heute sieht das Thema anders aus, und wir werden uns verständigen. Ich habe natürlich Spesen, bis ich eine neue Position finde, und dann ist es angemessen, mich wertsicher einzudecken.«
    Der Kellner erschien mit der Flasche Sekt. Herr Brecht schenkte die Gläser voll. Dann erhob er das seine anstoßenderweise und sagte schallend: »Na, prost. – Wieviel brauchen Sie denn?«
    »Sie kennen mich. – Ich glaube, daß man mir Kredit einräumen kann.«
    »Selbstverständlich. – Sie sind die Seele der Korrektheit . . . Die einzige noch nicht geborstne Säule, die von verschwundner Pracht zeugt . . .«
    »Sagen wir – fünfzig Dollar.«
    Herr Brecht verschluckte sich ein wenig, hustete und schloß die Augen. Er sah aus wie ein meditierender tibetanischer Mönch.
    »Eine unerhörte Summe«, flüsterte er.
    »Bin ich Ihnen nicht gut für fünfzig Dollar?« fragte Herr Zinkeisen eindringlich mit aufgerissenen blauen Augen.
    »Eine tolle Summe.«
    »Können Sie denn die Schublade überhaupt noch aufkriegen, so voll gepfropft haben Sie sie bereits . . .?«
    »Danke!« sagte Herr Brecht jetzt geschäftsmäßig und blickte nach der Schublade wie nach einem verdächtigen Gegenstand – »danke, mit einiger Mühe, ja.« Zögernd faßte er nach den Schlüsseln in der Hosentasche, und während er wie selbstvergessen noch damit klimperte, blickte er plötzlich auf.
    »Wann übrigens – wird Ihre Frau den Posten antreten?«
    »Übermorgen.«
    »Ganz recht. – – Natürlich steht Ihnen das Geld zur Verfügung. – Wollen Sie bitte eine kleine Quittung unterschreiben und mir auch die Namen von Leuten angeben, – – sollten Sie unerreichbar oder unabkömmlich sein . . .«
    »Gewiß.« – Herr Zinkeisen schrieb eine vorbildliche Quittung, die der Buchhalter leger in seine Tasche versenkte. Hierauf zählte er ein Bündel von fettigen grünen Scheinen ab und überreichte sie ihm.
    »Mein heutiges Gehalt von zweieinhalb Dollar gleich zehn Millionen wird gleich abgezogen. – So sind es nur noch siebenundvierzig Dollar und fünfzig Cent«, sagte Herr Zinkeisen langsam und korrekt. »Im Notfall setzen Sie sich vielleicht mit meiner Frau auseinander, wie meine übrigen Werte zu verflüssigen wären . . .«
    »Nanu, Werte?«
    »Sagen wir einige erstklassige Möbel, ein Wohnrecht, manches andere . . .«
    »So, erstklassige Möbel?«
    »Schöne Bilder«, fügte Herr Zinkeisen schnell ein. »Reizend gehäkelte Decken . . . Die Möbel sind gut gefedert . . . Das Bett, zum Beispiel, Herr Brecht! – ist beste Messingware . . .«
    »Hmm. – Das ist ja schön. Aber Sie sind mir gut für drei Jahre mindestens.«
    »Bestimmtestens«, versetzte Herr Zinkeisen. »Auf alle Fälle werden Sie entschädigt.« Er stand auf, trank sein Glas mit einem Schluck leer, gab Herrn Brecht einen biederen Händedruck, verbeugte sich kurz in der Tür und ging ab.
    Der Buchhalter saß bewegungslos da und blickte mit zusammengezogenen Lidern auf den breiten Rücken, der sich entfernte. Die Zigarre, von seiner Zunge gewälzt, rollte langsam von einem Mundwinkel zum andern.

Noch einmal der Musterkoffer
    Herr Zinkeisen ging diesmal nicht zu Fuß nach Hause, sondern erkletterte das Dach eines Omnibusses. Er verabscheute, seiner Dollars wegen, die schlecht beleuchtete Straße. In seine Wohnung hinaufgelangt, spürte er zunächst das Bedürfnis, scharf nachzudenken.
    Er kannte sich selbst kaum wieder. Er gab sich aber auch durchaus keine Mühe, die eigene Bekanntschaft zu erneuern.
    Im schwarzen Rahmen der Schlafzimmertür schwebte ein blasser Fleck, und dieser, das wußte er ohne hinzusehen, war das Gesicht seiner Frau. Er tat so, als sei er allein. Er rumorte umher, pfiff vor sich hin, hängte seinen Frack umständlich in den Wandschrank und entnahm diesem seinen hellgrauen Tagesanzug, den er über eine Stuhllehne breitete. Dann kramte er irgendwoher einen großen Handkoffer hervor, legte ihn in die Mitte des Zimmers und öffnete ihn.
    Während er den Koffer anrührte, sah er die Hotelmarken, die er wie Heiligtümer geschont hatte. Bunte Hotelmarken aus aller Welt, rund oder eckig. »Luxor« stand darauf, »Khartum«, »Colombo«, »Singapore« . . . Alles hübsch nebeneinander, chronologisch sozusagen und maßlos verführerisch.
    Er kannte diesen Koffer wie einen alten Freund. Sorgen und Hoffnungen hatte er in ihn hineingestopft, alles erdenkbare Gemütsgepäck, und das war gut

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