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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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trällerte sogar ein wenig.
    »Was willst du eigentlich«, fuhr er flüssig fort. »Zehn Dollar lasse ich dir hier, ein Vermögen . . . Anständig behandelt wirst du dort . . . Schließlich hast du doch auch deine Verwandten, was? Du mußt doch einsehen, daß du einem unternehmungslustigen Mann – – nicht in die Speichen fallen darfst.« – Dieser letzte Satz war sehr schön und schüchterte sie gänzlich ein.
    »Aber ich will dir ja gar nicht in die Speichen fallen!« rief sie eifrig, als ob sie sich dabei ertappt fühle. »Nimm mich doch mit!«
    »Absolut ausgeschlossen, Mathilde. Das siehst du doch ein.« Er legte sein strenges Gesicht plötzlich in die gewohnten biederen Falten.
    Sie wühlte mit den Blicken in seinen Zügen . . . Sie suchte . . .; dann sah sie hinter die Maske und schrie auf.
    Sie warf sich aufs Sofa zurück auf den Bauch und verschränkte mit aufgestemmten Ellenbogen die Hände im Nacken, der sich wie ein Uhrwerk bewegte.
    »Du lügst ja!« wimmerte sie, dumpf in das Kissen hinein. »Du hast ja gar nicht vor, zurückzukommen!«
    Seine Biederkeit verflog. – »Rede keinen Unsinn«, sagte er ehern.
    »Edmund, ich kenne dich. Diesmal lügst du mich an! Du willst mich los sein! Womit habe ich das verdient! Es ist dir hier nicht großartig genug! Das Hotel ist dir in den Kopf gestiegen! Du verachtest mich! Wenn du deinen Frack anziehst, bist du schon verändert . . . Aber heute wird mir's klar: Es ist nicht bloß der Frack . . .«
    »Ru–uhe!!!« dröhnte das metallne Organ.
    »Nein, ich schweige nicht!« Sie stieß mit beiden Beinen nach hinten. »Ich schweige nicht! Jetzt, wo du mich über Bord wirfst, habe ich auch ein Recht, den Mund aufzutun! So geschliffen ist man, so artig, so sauber! Ich puste dir was! Du bist noch immer der alte Zigeuner! Charakterlos bist du!« Sie schleuderte bei jedem Wort das Gesicht zurück, in seine Richtung; sie dehnte die Schultern, daß das Hemd zu bersten drohte. Sie war so unheimlich lebendig, wie Herr Zinkeisen sie nie gesehen; doch sah er ihrem Toben mit steinernem Gesicht zu.
    »Mir scheint, du brauchst einen Kübel Wasser über den Kopf«, konstatierte er endlich monoton. Er trank wieder einen kräftigen Schluck. Er leckte sich die Lippen und rührte sich nicht. Er legte die Hände auf die Knie, und seine Augen wurden zu blauen Steinen.
    Sie erschlaffte plötzlich. – Ein vollkommen fremder Mensch, der zuvor Herrn Zinkeisen beklemmend ähnlich sah, aber nichts mit ihm zu tun hatte, saß mit breiten Schultern dort im Stuhl . . . Saß dort wie eine treuherzige Kopie seiner selbst aus Wachs; und diese machte gewohnte Gebärden und glotzte mit runden, schlehenblauen Steinaugen zu ihr hinüber . . . Sie glitt plötzlich in die Ecke des Sofas und spannte die Arme um die heraufgezogenen Knie. Grübelnd betrachtete sie ihn. In das Zimmer sank eine Stille wie in einen Keller. Auf dem Teppich gähnte das klaffende Maul des Koffers. Die Uhr vom Schlafzimmer tickte herüber, sonst füllten die schweren Atemzüge der Frau alles aus. Unendliche Fremdheit hatte hier hineingegriffen. Alle vertrauten Gegenstände blinkten tot und feindlich. Sie begriff es kaum. Sie hatte ein Bedürfnis nach Wärme, doch sie konnte sich nicht an Holz anschmiegen oder an Tapeten.
    Die Augen nicht von der Gestalt im Stuhl gelöst, glitt sie vom Sofa und verschwand im Schlafzimmer. Was mochte sie vorhaben?
    Die Schwärze drüben wurde matt aufgehellt durch ihr Nachttischlämpchen; er hörte, daß sie es vor den Spiegel trug. Dort war sie eine Weile beschäftigt; dann ging das Licht wieder aus. – Währenddessen wuchs sein trunkenes Träumen ins Grenzenlose. – Doch auf einmal, kopfüber auf der Erde landend, erkannte er die Bedeutung der Geräusche und empfand Verdacht und Widerstand.
    Denn sie trat wieder in den Lichtkreis. Als einzige Bekleidung trug sie einen japanischen Kimono, auf dem noch die schäbigen Reste ehemaliger farbiger Stickerei schimmerten . . . Der Obi fehlte; der trieb sich wohl als Putzlumpen irgendwo herum. – Er hatte ihr den Kimono zur Hochzeit geschenkt, und Wochen für Wochen hatte sie ihn allabendlich darin begrüßt. Heute trug sie ihn der Länge nach offen; zerschlissen sah er aus; wie ein Stieglitz in der Mauser; die Watte des Futters war geplatzt und hing strähnig aus den Schmetterlingsärmeln. Und als sie sich nun mit halb schüchternem, halb herausforderndem Lächeln am Platze drehte und die Ärmel hob mit verbissenem

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