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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Ecke geworfen . . .«
    »Es gibt auch bei uns solche Leute«, sagte der Engländer mit seiner rostigen Stimme. »Es gibt sie überall.«
    »Sie sind sehr gütig, mein Herr! – Aber inzwischen macht die Zeit noch keine Anstalten, diese Profitgeier auszumerzen. Es ist alles ein großer Humbug, und jede Vernunft ist aus der Welt. Sie selbst werden freilich nicht davon berührt. Dies Affentheater amüsiert Sie; Sie schweben darüber. Entschuldigen Sie, wenn ich so von der Leber weg spreche. Aber glauben Sie mir, auch in mir rührt sich ein Bedürfnis nach Sauberkeit. Verwechseln Sie mich nicht mit den anderen Menschen, die im Trüben fischen.«
    Der Engländer fuhr sich wieder mit der Hand über die Stirn und lehnte sich lässig im Stuhl zurück.
    »Nun, wir wollen nicht persönlich werden«, murmelte er. »Es gibt auch für mich Probleme. Sie sprechen übrigens ein erstaunliches Englisch. Sie sind viel herumgekommen?« – Der Tonfall klang so, als wolle er alles vorher Gesprochene beiseite schieben, als sei es ihm plötzlich lästig geworden, Vertraulichkeiten Herrn Zinkeisens entgegenzunehmen. Der Aufseher stand still, dann ging er müde zu einem Stuhl an der anderen Seite des Rauchtischchens und setzte sich schwer und massiv darauf. »Allerdings bin ich herumgekommen. Ich war vor dem Kriege ein selbständiger Mann. Ich war Vertreter einer Hamburger Firma und darf wohl sagen, daß es wenige britische Kolonien gibt, die ich nicht kennen
    »Waren Sie auch in – – Singapore?«
    »Auch dort.«
    »Wann war das?«
    Herr Zinkeisen dachte etwas nach und meinte dann zögernd:
    »Etwa im Mai 14.«
    »Und wo wohnten Sie damals?«
    Herr Zinkeisen ermunterte sich. »Lassen Sie sehen . . .«
    »War es das Adelphi?«
    »Das kann wohl stimmen. – Ja, in der Tat: es war das Adelphi. Ein irischer Manager war dort. Maloney.«
    Der Engländer schwieg eine Weile. Er hob den Kopf. Seine Augen waren halb zugekniffen, er musterte Herrn Zinkeisen wiederum auf eine seltsam gründliche Art, die nichts mit Kritik zu tun hatte. –
    »Das ist seltsam«, sagte er endlich. »Das ist verdammt seltsam.«
    »Wie bitte? – Was ist seltsam?«
    Der Engländer schwieg, steckte sich eine neue Zigarette an und lehnte sich wieder zurück. Er ließ sich zu keiner weiteren Erklärung herbei. –
    Herr Zinkeisen war beunruhigt. Er blickte ihn mit seinen ehrlichen blauen Augen forschend an, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Offenbar war das letzte Wort eine allgemeine Bemerkung gewesen, um die ganzen Zeitläufte zu kennzeichnen mit Inbegriff seines eigenen Schicksals.
    Da der Engländer beharrlich weiter schwieg, stand er auf. Etwas Unerfülltes fraß an seiner Seele. Man hatte ihn in ein vertrauliches Gespräch zur Hälfte hineingelockt, hatte ihn ausgepumpt; damit war nun die Sache erledigt. Mit kühler Handbewegung wurde ihm angedeutet, daß das Gespräch nun zu Ende sei.
    »Sie können mir«, sagte der Engländer noch mit großer Mundfaulheit, »den Kellner mit einem neuen Syphon herüberschicken. Ich bleibe heute noch ein wenig sitzen.«
    Herr Zinkeisen nahm mit gewohnter Gebärde die Bestellung entgegen. Sein Gesicht war fleckig.
    »Sehr wohl, mein Herr. Benötigen Sie mich noch?«
    »
No
«, sagte der Engländer. – »
That will do.
«

Herr Brecht hat Grund, sich zu wundern
    »Das genügt«, hatte der eingebildete Bursche gesagt.
    Der saß nun im Rauchzimmer, das er gepachtet, in einem Stuhl, den er gepachtet, und blies seinen Rauch gegen die Stuckdecke.
    Ein Herrenbenehmen, kann man wohl sagen, eine verdammt selbständige Art . . .
    Herrn Zinkeisens Gemütserleichterung hatte nicht den gewünschten Erfolg. Seine Brust unter dem tadellos gestärkten Hemdeinsatz atmete beklommen. Eine Faust preßte sein Herz langsam zusammen wie bittersüße Qual. Diese Pulsbeschleunigung dauerte an; er spürte sie in den Fingerspitzen. Die Unlustgefühle ob des ergebnislosen Interviews wuchsen sprunghaft. Er hielt sich noch ein Stündchen im Saal auf, stellte die »Fassade« und »wirkte«. – Dann aber, fühlte er, könne er den inneren Zusammenbruch nicht länger vertuschen und empfahl sich vom Schauplatz in unantastbarer Haltung.
    Er ging zum Büro und fand den jovialen Herrn Brecht damit beschäftigt, Geldkursberechnungen aufzustellen. Breit, wie ein gesättigtes Amphibium, beide Ellenbogen aufgestützt und den Bauch mit der seidenen Weste gegen die Kante des Tisches gepreßt, lag dieser Herr über den Papieren, und in seinen slawischen, leicht

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