Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen
erfaßt. Das ist mir gestern schon klar geworden. Ich habe mir allerlei überlegt in der jüngsten Zeit. Schwerwiegendes, meine werte Person betreffend. Sie haben recht, daß Sie Devisen hamstern. Ich bin ein Esel, daß ich's nicht selbst getan habe.«
»Das ist doch wohl zuviel gesagt«, beruhigte Herr Brecht. Er reichte eine große Zigarre hinüber, und in seinen schiefen Augen glomm Erwartung.
»Nein, nein, keine Beschönigung. Es wird einem nichts geschenkt. Aber es wird Sie weiter nicht erstaunen, wenn ich den Kram nunmehr über die Schulter werfe.«
»Wie bitte? – Über die Schulter werfe . . .?«
»Ich baue ab, damit Sie mich richtig verstehen. Ich kündige. Nicht heute und nicht Ihnen; aber es muß sein, daß ich's Ihnen sage; morgen komme ich hier herein und kündige, und damit Gott befohlen.«
Herr Brecht war so verblüfft, daß ihm die Zigarre langsam aus den Lippen glitt und mit dem glühenden Ende voran auf dem Tisch landete, Asche verspritzend. Er säuberte seine Umgebung mit Gepuste und Gewische. Dabei dachte er angestrengt nach. Ein toller Fall war dies, eine psychologische Angelegenheit. Wenn ein Seelöwe plötzlich, Flossen voran, durch die aufkrachende Tür ins Büro gefallen wäre, er wäre kaum verblüffter gewesen. Aber er war ein Mann der praktischen Vernunft und brauchte nicht lange, um sich zu fassen.
»Das kommt mir überraschend«, sagte er endlich. »Sie wissen, man wird Sie sehr entbehren, und wie gedenken Sie . . .«
»Ich gedenke vorläufig einfach abzubauen, durchzubrennen, wegzureisen . . . Über die Grenze . . .«
»Aha! Also doch Amerika!«
»Nein. – Vermutlich Indien. Zunächst einmal als Obersteward. Muß mich eindecken, und dann bliebe ich unten. Verhungern wird man nicht.«
»Hm – hm«, meinte Herr Brecht nach einer Pause. »Die Idee ist gut. Haben Sie Beziehungen? Glauben Sie . . .?«
»Es wird schon gehen«, sagte Herr Zinkeisen streng. »Man weiß doch, wer man ist und an wen man sich wendet.«
»Schön, daß Sie das alles schon wissen. Ich wollte, mir ginge es ähnlich. Na, und Ihre Frau Gemahlin?«
»Das ist noch ein anderer Punkt«, sagte Herr Zinkeisen und schluckte mehrmals hinunter. »Ich bin geneigt, meine Frau einige Zeit sich selbst zu überlassen. Hier ist eine Gelegenheit für Sie, zu einer einwandfreien Buchhalterin zu kommen. Das wird Sie entlasten, Herr Brecht. Meine Frau beherrscht die Routine, sie stenographiert, sie tippt wie ein Sturmwind, sie erledigt Ihre Korrespondenz und Sie haben dann mehr Zeit für sich selbst?«
Herr Brecht glotzte ihn an. Dies war die zweite Überraschung, und was für eine!
»Und Ihre Frau würde hier . . .«
»Ganz richtig«, sagte Herr Zinkeisen. – »Hier im Büro würde sie sein. Sie wären ihr Vorgesetzter. Die Festsetzung des Gehaltes wäre« – und er trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte – »Ihnen überlassen.«
»Sie wissen,« sprach der Machthaber, »ich war immer Ihr Freund, Zinkeisen.«
»Ich weiß ein Vertrauen zu schätzen. Wir reden nicht weiter darüber«, äußerte der andere im selben schwebenden Schulmeisterton. »Wir reden kein Wörtchen darüber. Sie werden sie gut behandeln, und ich verdufte auf einige Zeit. – Ich brauche Seeluft und Leute von Welt.«
»Originell . . .«, bemerkte nun, völlig erholt, Herr Brecht und schlug sich auf den von gestreifter Hose prall umsponnenen Schenkel. »Ich bin ganz erstaunt, Zinkeisen, daß Sie so praktisch denken! Natürlich machen Sie das! Was sollten Sie auch sonst machen! Das Naheliegendste!« Er drückte auf eine Klingel, die unter der Tischplatte eingelassen war. Dem hereintretenden Kellner gab er den Auftrag, eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern zu bringen.. Munter geschwellt, erhob er sich von dem drehbaren Sessel und schritt an der Wand hinter dem Tisch hin und her. In leichtem Plauderton warf er des weiteren hin: »Dachte ja immer schon, Sie müßten einmal Vernunft annehmen. Gerade Ihnen, so dachte ich, müßte der ganze Betrieb einmal aus dem Hals herauswachsen. Grundvernünftige Kalkulation das Ihrerseits Zinkeisen. Sehen Sie, und dann kommen Sie einmal zurück, wenn wir stabilisiert sind, und dann sind Sie vielleicht derjenige, der uns alle in die Tasche steckt . . .«
Herrn Zinkeisen entging diese gute Laune nicht. – Aber es war ihm fabelhaft gleichgültig.
»Sie haben mir«, sagte er, »gestern so dringend nahegelegt, Devisen zu kaufen. Gestern hatte ich das Gefühl, es sei noch nicht nötig, da ja am
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