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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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Willenskrampf, mit letztem täppischem Aufgebot halbzerstörter Gefallsucht –, wuchs statt der ehemaligen Berauschung nur die Entfernung des Widerstandes; nur der Ekel am Kontrast . . .
    Schnellen Schrittes, mit kleinem, fragendem Aufschrei, lief sie plötzlich auf ihn zu und versuchte, sich an ihn zu schmiegen . . .
    Sie fühlte sich zurückgedrängt. Und diese Abwehrgeste war so unnachgiebig, daß sie in denselben Schritten nach rückwärts tappte und zu Boden glitt. Durch einen Schleier sah sie, daß der Automat im Stuhl langsam sich erhob und auf sie zukam . . .
    Dann wurde es schwarz um sie. –
    Herr Zinkeisen brachte sie zu Bett. –
    »Gott sei Dank,« dachte er dabei, »das wäre nun überstanden.«

Er brennt durch
    Mit einem leichten Schreck fuhr er empor. Bleigraues Licht war in der Wohnung. Hastig drehte er sich nach der Uhr. Es war neun. Er hatte vorgehabt, um sechs Uhr aufzustehen. Aber vielleicht konnte noch verhindert werden, daß sie mit zur Bahn kam.
    Er betrachtete sie vorsichtig, noch war sie in bleiernem Schlaf. Sie war ihm gleichgültig. Nichtssagend war sie und gewöhnlich; und dazu dies bleigraue Licht.
    Schier lautlos schob er sich aus dem Bett und ging ins Wohnzimmer hinüber, die Tür schließend. Ab und zu gespannt auflauschend, stapelte er Wäsche und Anzüge in dem Koffer an. Den Frack, das Symbol seiner Würde, ließ er im Wandschrank hängen. Er wußte, wie man sich in den Tropen kleiden mußte.
    Allerhand warf er noch in den Koffer, was ihm zufällig zwischen die Finger geriet, mit konfusen, hastigen Bewegungen. Dann machte er eine Pause.
    Der Paß, jawohl, das Visum mußte in Hamburg besorgt werden. Das braucht nicht hier zu geschehen. Er zählte zehn Dollar ab und legte sie auf den Tisch.
    Mit schnellen Griffen zog er sich an – (was wenig Zeit kostete, da er anläßlich der gestrigen ungewohnten Gemütsorgie noch halbbekleidet ins Bett geraten war) – versäumte nicht, die kleine Bürste auf der Oberlippe und die Frisur schnell mit ein paar Tropfen Orangewasser zu behandeln, ergriff dann den Koffer und schlich sich ins Treppenhaus. Eine Beklemmung saß ihm ums Herz, wie er sie stets empfunden, wenn er sich bei Sonnenaufgang auf die Reise begab und große Pläne aus grauer Frühe keimten . . . Es war ein halbes Gefühl der Unsicherheit, ein Tappen . . . so ist es immer, wenn man sich von Altgewohntem losreißt, und sei es auch nur für Monate. Mit so unendlich vielen Widerhaken ist die Seele an Gewohntem verankert.
    Schier versonnen gelangte er auf die Straße, warf sich in ein zufällig vorbeikommendes Auto und fuhr zum Hotel. Wenn nichts dazwischen kam, so würde ihr bleierner Schlaf dort droben noch eine gute Stunde währen. Er sah sie vor sich, gelöst, hilfsbedürftig und zerzaust, aber er schob das Bild zu den anderen nach hinten, ganz von sich weg.
    Im Hotel angelangt, ließ er den Handkoffer im Auto und ging zwischen Scheuerfrauen hindurch, die den ungewohnten Zeitpunkt seines Erscheinens tuschelnd hinter ihm besprachen, zum Zimmer des Hoteldirektors, der, wie er wußte, relativ früh auf dem Posten war. Der Direktor war ein Mann mit einem gepflegten Vollbart, der soeben sein Frühstücksei verzehrte. Verblüfft blickte er auf.
    »Nanu, Herr Zinkeisen, was ist denn passiert?«
    »Es ist nichts passiert, Herr Direktor, aber ich sehe mich veranlaßt, zu kündigen.«
    Der Direktor stand auf und blickte ihn mit braunen Augen prüfend an. »Darf ich fragen?«
    »Ach, Herr Direktor, es hängt eigentlich mit keiner greifbaren Ursache zusammen. Ich fühle, daß ich mir ein wenig Bewegung machen muß. Ich bin sehr zufrieden mit dieser Stellung hier; aber ich brauche eine andere Betätigung.«
    Der Direktor strich sich den Vollbart und ging sinnend auf und ab. »Bedaure ich sehr, Herr Zinkeisen. Sie waren einer der wirklich soliden Angestellten hier, auf die man sich noch verlassen konnte. Es kommt mir ein bißchen plötzlich.«
    »Ja, Herr Direktor, aber diese Zeit verlangt Plötzlichkeit. Ein paar Zeilen, wenn Sie so gut wären.«
    »Haben Sie denn schon etwas in Aussicht?«
    »Vielleicht. Jedenfalls wird mir eine Bestätigung von Ihnen dazu verhelfen.«
    Kopfschüttelnd ging der Direktor an sein Stehpult und fertigte ihm die Abschiedsworte aus, die Herr Zinkeisen sorgfältig in seiner Brieftasche versenkte. Sie fühlten beiderseits, daß weitere Erklärungen überflüssig seien.
    Als er die Treppe wieder hinabstieg, bemerkte er den schwarzhaarigen Kellner, dem

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