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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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getränkt . . . Wie aus dem geschnitzten schwarzen Rahmen einer Tür hervor ein nackter Chinesenknabe ihm entgegentrat mit mattweiß schimmerndem Körper; – wie dieser ihn im rotgoldnen Licht von Lampions durch leis brodelndes Geräusch von Gesprächen steuerte, durch einen Haufen hockender oder liegender brauner Leiber, deren Tücher wie ein Beet von Feuerlilien prunkten; durch eine Decke von Hanfnebel, der in Schichten über Kämmen aus Schildpatt oder in blinder Brunst emporgedrehten Gesichtern schwankte . . . Es ging eine Treppe hinauf, steil wie eine Hühnerleiter, immer an der Seite des glatten, schmiegsamen Körpers, der ihn zäh und zielbewußt mit sich zog. Bedauernd schnalzte der nackte Knabe mit der Zunge über die Mühe, die es unseren Helden kostete, Schritt zu halten, – oder er lachte leise, wenn er dessen willenlose Bereitwilligkeit merkte . . .
    Man landete auf Bastmatten. Von irgendwoher, in einen abgedämpften Lichtkreis, schoben sich zwei kindliche Tänzerinnen. Hundert jagende Pulsschläge lang hielten sie, ohne zu schwanken, scharfabgezirkelte Posen fest, um dann ruckweise wieder wie erstarrt im Übermaß einer grotesken Unersättlichkeit zu neuen Bildern zu wechseln. – Hinter ihnen entstand langsam dunkler Blumenprunk und Blitzen von Messing und Silber: eine fette Frau schob ihre Fülle aus dem Schatten, bis ihr schwacher Umriß zuletzt wie ein verdrossener Dämon aus einem Shivatempel den Hintergrund wuchtig füllte. Erst als sie sich regte, ward sie Mensch, ward zu einer netten, humoristischen Matrone, die es mütterlich mit Herrn Zinkeisen meinte und sich auf ihre Krötenart ungeheuer geschmeichelt benahm um dessentwillen, daß er ihr Etablissement mit seinem unschätzbaren Besuch beehre . . . Sie war in grellfarbig bedruckte Seide gewandet, und er hatte das Gefühl, als sei er ihr schon irgendwann einmal begegnet.
    Und aus seinem Gedächtnis drängte sich ein Bild hervor: Eine offene Hackney-Droschke, in der ein junger Engländer denselben Pascha gespielt, den er selbst jetzt spielte. Der war umringt gewesen von sehr ähnlichen Figuren, und wurde gleichfalls betreut von einer feisten, sehr teuren und alterslosen Matrosen-Mutter . . .

Tragische Heimkehr
    Gefühl eines Dampfbads, Atemnot und endloses Hufgetrappel. Und stechende Sonne.
    Zinkeisen riß die Augen auf und hatte den Nachhall der Schiffssirene im Ohr. – Er saß mit dem Rücken gegen eine Mauer gelehnt und blinzelte. Viel Farbiges und Grelles bewegte sich um ihn herum. Das Schattenband der Mauer war geschrumpft, so daß die Hitze von seinen Knien auf die Brust gelangt war. Wie er hierher gelangt, und wo er überhaupt war, blieb eine erbarmungsvolle Minute lang wesenlos für ihn. Als sein Hirn zu funktionieren begann, erkannte er zunächst, daß er maßlos schmutzig und abgerissen aussah. Und dann begriff er, daß es Mittag sei, daß er an der Wharf sitze, daß es die Schiffssirene seines eigenen Dampfers sei, die geheult hatte.
    Mit zitternden Knien stand er aufrecht und versuchte, seine Uhr herauszureißen. Vergebens; er fand sie nicht. Ohne sich länger aufzuhalten, stürzte er durch die Holzhalle, die auf der Anlegeplattform errichtet war, mit besinnungslosen Hechtsprüngen an die Bootsstufen. Hier saß der Alte, in dessen Boot er gestern hier gelandet, geruhig kauend in seinem Sampan. – »
Ship! – Ship!
« stieß Zinkeisen hervor und bezeichnete den Dampfer; worauf der Alte selbst – da der Junge fehlte – eifrig und zäh nach der Ruderbank kroch und anhob, mächtig auszuholen. Sein zerknittertes Gesicht war demütig-freundlich; er erkannte den Tuan von gestern. Wenn er über dessen Zustand verblüfft war, so versteckte er's so geschickt im Schatten der Hutkrempe, daß man ihm keinerlei Emotion anmerkte . . . Die knorrigen Arme rührten sich wie eine Maschine; wie aus siedendem Teekessel fuhr die Luft aus den morschen Lungen. – Allmählich erkannte auch Zinkeisen den Alten. »Nur feste geschuftet, alter Gauner«, dachte er und betrachtete ihn böse. – Dann, mit ins Riesenhafte steigendem, kaltem Entsetzen, befingerte er, ohne ganz den Mut zu haben, sie herauszuziehen, seine Brieftasche. Sie schien vorhanden zu sein; auch die Papiere; aber . . . das traute Knistern der Dollarscheine fehlte gänzlich. Er hatte nur noch einen kleinen Rest auf dem Schiff. Und dieser grinsende Tagedieb hier, dieser alte Kuppler, steckte mit der ganzen Gesellschaft, die ihn ausgeplündert, unter einer Decke, und

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