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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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wuchernde Unkraut. Er nahm den Strohhut ab, legte die Hände parallel auf seine Knie und senkte den Kopf. Nachdem er genau mit geschlossenen Augen eine Minute gesessen, erhob er sich Glied nach Glied und sprach mit schier papageienhafter Aneinanderkettung von Silben: »Sie haben Pferde gesehen, die durchgingen. Die Sonne ist Ihnen auf den Scheitel geklettert, ohne daß Sie es wußten. Sie waren nicht hier zwischen neun und zwölf. Erstaunlich, mein junger Freund! Was haben Sie sonst noch erlebt, machen Sie Ihrem Herzen Luft, erzählen Sie mir alles; nichts ist belanglos. Ich muß es wissen. Warum, das sage ich Ihnen noch, aber erzählen Sie.«
    Und während sie jetzt auf das Pfaffenwäldchen zu weiterschritten, öffnete ihm Harald sein Herz. Er tat es stockend, doch der Fremde trieb ihn unablässig an, weiter zu berichten. Es war unendlich schwer für Harald, die subtilen Empfindungen in Worte zu kleiden, jene Träume selbst in vagen Umrissen deutlich zu machen. Doch der Mann wiegte den Kopf nach jedem Satz und streute seltsame fremdsprachige Ausrufe dazwischen, wodurch er Haralds Interessen an der eigenen Darstellung befeuerte und ihn nicht zur Ruhe kommen ließ. –
    Endlich fragte Herr Sze:
    »Und wo ist der Ort, wo Sie eingeschlafen waren damals?«
    Harald deutete nach der Richtung des Waldes. »Es ist da hinten auf einem kleinen Hügel.«
    »Sehr gut, ein Hügel«, sprach der Asiate. »Es muß ein Hügel sein – – haben Sie nichts vergessen, haben Sie nichts ausgelassen? Jede Einzelheit ist wichtig.«
    Harald entsann sich, daß er dem Begleiter noch nichts von den drei Erlebnissen erzählt, und er holte es nach, wobei er nicht umhin konnte, wahrzunehmen, daß in dem toten, glatten Gesicht ein Zucken anhob, daß die tief zitronengelbe Haut von kleinen Fältchen überrieselt ward, als ob Nerven, noch nie aufgestörte, plötzlich ein ameisenhaftes Leben unter der dünnen Oberfläche vollführten. Dies machte sich doppelt seltsam, und mit einer gewissermaßen spitzbübischen Freude an der Aufregung, in die er ihn versetzen konnte, schilderte er ihm genau, was weiter vor sich gegangen: wie er die Schlange am Schluß getötet und wie der Stein gleichzeitig an ein Stück Eisen getroffen habe. »Es klang hell, wie eine zerbrochene Glocke«, fügte er bei, und daß er versucht habe, dieses Eisen herauszureißen und sich die Finger verletzt, worauf er dann zwischen dem Pilzen eingeschlafen sei – – dies alles machte auf den fremdländischen Gelehrten einen ungeheuren Eindruck. Hätte Harald gewußt, wie schwer es sei, einen Asiaten zu irgendeiner Gemütsäußerung zu veranlassen, so hätte er sich auf den Erfolg dieses seines Berichtes noch viel mehr zugute getan. Herr Sze schwieg eine Weile und dachte nach. Dann kehrte das Lächeln um seine Lippen wieder zurück, um von jetzt an nicht mehr zu weichen. Er sagte:
    »Ich glaube, daß Ihr Erlebnis für Sie selbst noch sehr wichtig sein wird. Mich interessiert dieser Hügel, von dem Sie erzählen, in der Tat als Geologen. Bitte, führen Sie mich hin.«
    Harald führte ihn durch den Wald. Als sie an die Eiche kamen, wo er den Edelmarder erblickt, stockte der Chinese einen Augenblick von selbst, hob die feingeschnittene Nase schnuppernd in die Luft und fragte: »Hier war es, nicht wahr? Das Zweite.«
    »Ja, hier, aber woher wissen Sie . . .«
    »Haben Sie nicht bemerkt, daß ich mich bückte, als Sie mich zuerst erblickten?«
    »Das habe ich wohl.«
    »Nun, ich bin auch dem Ersten ganz von selbst auf die Spur gekommen. Ich habe eine feine Witterung für – Blut.«
    Sie waren auf dem Hügel angelangt, und die schmalen Augen, deren Pupillen jetzt wieder unablässig hin und her huschten, ergriffen von jeder Einzelheit sofort Besitz. Der Mann bückte sich, setzte sich wieder kreuzbeinig hin dicht neben das Aas der Schlange, von dem eine Wolke von schillernden Schmeißfliegen mit brausendem Summen in die Höhe stieg, und tastete dann vorsichtig mit der großen, hellgelben Hand, die zugespitzte Nägel trug, an das hervorstehende Metall. Er blickte sinnend darauf und sprach dann wie beiläufig:
    »Sie haben recht! Es ist Eisen. Das Vorkommen dieses Metalls hier ist selten. Ich werde der Sache auf den Grund gehen, ob sich eine Ausbeute verlohnt. Wie Sie sehen, hat es keinen Rost angesetzt.«
    »Das fällt mir jetzt auch auf, nachdem Sie es sagen«, bestätigte Harald.
    »Es hat seinen Grund«, meinte Herr Sze. »Gehen wir jetzt.« Er untersuchte noch kurz die Ausmaße des

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