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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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fruchtbringend empfinde, daß er gewissermaßen in Dankbarkeit für die genossenen wissenschaftlichen Förderungen beschlossen habe, Heim und Werkstatt in Deutschland aufzuschlagen. Und zwar – so durfte das Lokalblättchen seinen Lesern verraten – habe er vor, unser Mitbürger zu werden. Er habe ein größeres Grundstück erworben, einen Teil des Pfaffenwäldchens, den er aus Privathänden erstanden, und die Absicht ausgesprochen, denselben zu entwässern. Dadurch werde gleichzeitig das Klima der Gegend befördert, indem nämlich der Sumpf dort verschwinde. Dr. Sze habe zugleich die amüsante Marotte, sein Haus so anzulegen, daß es einen Garten im Innenhof enthalte, der auch das sogenannte »Hünengrab« umfasse. Er beabsichtige – (habe er dem Reporter verraten) – Zwergbäumchen dort zu züchten und auch Tiere, die er für seine Experimente nötig habe; eine zugleich glückliche und praktische Lösung.
    Es entspann sich noch eine kurze Debatte darüber, ob nicht, wie man im Leserkreis vermutete, die Gegend dadurch um ein Naturdenkmal ärmer werde; denn ein solches sei das von Aberglauben umwitterte Hügelchen doch sicher. Jedoch der aufgeklärte Redakteur wußte solchen Einwänden witzig zu begegnen, indem er meinte: jener Herr sei vielleicht der Berufenste dazu, dem Aberglauben »im eigenen Heim« wirksam zu Leibe zu gehen. Zudem dürfe man nicht übersehen, daß der Stadtsäckel einen anständigen Steuerzahler gut brauchen könne und der fremde Gelehrte entschieden rentabler sein würde, als der betreffende Grund und Boden jemals gewesen sei.
    Der alte Freiherr von Calmus las diese Nachrichten aus der Zeitung beim Frühstück vor. Er riet zwar den Völkern Europas noch nicht, ihre heiligsten Güter zu wahren, war aber ungehalten und äußerte sich rauh über den »zudringlichen Gelben«, der doch weiß Gott hier nichts verloren habe und sicher nur die fragwürdige Absicht hege, deutsche Patente zu stehlen.
    Harald saß dabei und tat keinen Muck. Die Versuchung, von seiner Begegnung zu erzählen, war für einen Augenblick fast unwiderstehlich. Doch da glaubte er, im gelben Seidenschirm der Eßzimmerlampe zwei schwarze Augen auftauchen zu sehen, die ihn faszinierten und lähmten, ihn erwartungsschwanger stimmten wie ein ungewiß glänzender Hort aus dunkler Wassertiefe. Er sagte nichts und biß sich auf die Lippen.
    Mittlerweile wurde da draußen im Pfaffenwäldchen, so hörte man von Zeit zu Zeit, mächtig gearbeitet.
    Von der Überlandstraße her schlug man eine breite Bresche zu dem Hügel hinüber, und vier Wochen hindurch knarzten ziegelbepackte Lastwagen von dieser Straße in den Wald hinein.
    Von September ab bis Neujahr wurde gebaut, und auf einmal hieß es, das Gebäude sei fertiggestellt. Jedoch hatte Dr. Sze die ärgerliche Vorsicht getroffen, das Gelände mit einer hohen Bretterwand, die teilweise an die Stämme genagelt war, abzusperren. Hinter dieser entstand, wenn man den Berichten der Arbeiter zuhörte, ein sehr hohes, spitziges Eisengitter, so daß man befürchten mußte, es werde auch für die Zukunft nicht so einfach sein, die Baulichkeit in näheren Augenschein zu nehmen.
    Der Architekt selbst, den Dr. Sze beschäftigte, schwieg sich über alle Einzelheiten aus. Er hatte auch offenbar den Auftrag dazu erhalten. Keineswegs wurde er schlecht bezahlt, und dies erleichterte ihm das Schweigen darüber.
    Etwa Mitte Januar wurde die Lattenwand entfernt. Doch nun zeigte es sich, daß hinter dem Eisengitter rings um das ganze Besitztum herum an zwei Meter hohe, dichte Tannen gepflanzt waren, die den Einblick fast noch wirksamer verwehrten. Außerdem liefen unterhalb der wie geschliffen blitzenden Spitzen Drähte, die keineswegs Vertrauen erweckten und offenbar darauf berechnet waren, jedem unbefugten Eindringling mit einer entsprechenden Ladung von Strom zu begegnen.
    Nur durch das Haupttor konnte man den vorspringenden Eingang zu dem Hause entdecken, der mit einer Messingtür, die dicke flaschengrüne Glasplatten trug, geschlossen war. Außerdem tummelten sich, wie man aus dumpfem Bläffen erraten konnte, große Hunde im Garten umher. Näherer Augenschein belohnte Wartende mit der fast allzunahen Bekanntschaft von drei ungeheuren dänischen Doggen, die ihre eckigen Kopfe dicht ans Gitter schoben und Wolken von heißem Atem aus wehrhaften Rachen dem Beschauer ins Gesicht fauchten. Es waren keine liebenswürdigen Hunde. Ihre bernsteingelben kleinen Augen hatten auch untertags etwas tückisch

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