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Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen

Titel: Die magische Laterne des Herrn Zinkeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willy Seidel
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die Erde ist lieblich, pflanzenhaft. Ein Kreislauf schneidet nicht in den andern hinein, sondern allen Wesens Bestimmung rundet sich ab in heiterer Selbstvollendung.
    Die Farbe des Blutes ist unbekannt.
    Nichts und niemand will dir übel, und wo das Organische sich breitmacht, da weicht das einzelne einander aus und gibt Spielraum.
    Auf einmal erstrahlt ein rotes Licht in der Höhe der fernsten Luftschicht tiefer im Azur als jede erforschte Meerestiefe.
    Das Licht erscheint nachts, wandelt sich in bengalische Weißglut, und dann geschieht ein Getöse, das noch nie gehört ward. Zersetzungswirbel durchfurchen die Atmosphäre; Springfluten kochen über an allen Gestaden; Grauen der Verwüstung durchpflügt die Stille der Schöpfung.
    Das ist die Ankunft dieses Brockens von Eisen, dieses Stückes vom Saturn.
    Die Erde erbebt; es stößt in ihren Leib. Ein Fremdkörper, sitzt es seither darin und schwärt. Das Gift, das es erzeugt, wirkt seit Anbeginn. Es ist das älteste Ding der Welt.
    Ja, es ist um Jahrmillionen älter als diese Erde, und seine Eigenschaften sind darum auch nicht irdisch. Warum es diese Form anahm? Weil Zazel, der Ausgestoßene von droben, darin saß und seine Form sich abschlug in der Erstarrung des Flüssigen, so wie Blei sich gebärdet, das du siedend ins Wasser träufst; und nicht nur seine Form schlug er ab, es lebt seine Intelligenz in diesem Ding, die außerirdisch ist und grauenhafte Begriffsverwirrung erzeugt . . . Alle Kriege seit Menschengedenken bis zu dem kleinsten Mord, der unter Tieren sich ereignet, jeder noch so kleine Tropfen verspritzten Blutes nimmt seinen Ursprung von dem Ding. Blut kennzeichnet sein Gedächtnis von Anbeginn, und durch Blut ist es dir gelungen, wie man untrüglichen Wegweisern folgt, ihm auf die Spur zu kommen. Deshalb muß es vernichtet werden, und seine Vernichtung ist nicht leicht.
    Gibt man ihm Blut (und sei es auch wenig), so hat Zazel zu verdauen; und währenddessen erlischt sein trüber Einfluß. Ist er aber hungrig (und er ward noch nie gesättigt), so strahlt er Gift aus; so frißt er alles mit der Gier des Magneten. Sein Hunger war nicht scharf gewesen in den letzten Jahrhunderten, weil überall auf der Erde, sei es hier oder ferne, Blut floß, doch gesättigt ward er nie. Er lag ständig auf der Lauer.
    Das einzige, was ihn völlig bindet, ist die Erde, in der er steckt, und der Stein, der ihm im Alter nahekommt: der Granit. Empfindet er aber Verknüpfung mit seiner Urheimat, dann vergiftet er das, was ihm am nächsten ist.
    Zuweilen wischten Regengüsse die Erde halb von seiner Stirn, und dann traf ihn ein Strahl des Saturn. Ich wußte dieses nicht. In meiner Blindheit grub ich ihn völlig aus; öffnete eine Platte und sammelte Licht vom Saturn auf ihm. Es geschah Entsetzliches; seine Kräfte wuchsen sprunghaft. Für wenige Tage ist er jetzt beruhigt, da ich ihn von meinem Blute gab; – doch ich habe nicht mehr viel zu vergeuden. Und sobald mein Blut versickert ist, geschieht Unausdenkbares –; denn – –«
    Hier hob der Chinese seine Stimme ein wenig, und sie hatte einen erzenen Unterton – »denn dann muß er beschwichtigt werden, immer wieder beschwichtigt, und wir zwei können es nicht vollbringen. So steht es geschrieben: ›Wenn der Zazel wach ist, so mußt du Ihn binden durch Erde. Kannst du dies nicht, dann durch Gestein; doch willst du Ihn ganz vernichten, so mußt du Ihm sein eigenes Gewicht in lebendigem Blute reichen; und dieses Blut muß sein von einer Art.‹«
    Eine Pause folgte. Harald saß gelähmt von der ungeheuren Eröffnung. Schneller sprach der Chinese, und sein großes, flaches Gesicht hob sich höher.
    »So komm' und hilf mir, so lang er beschwichtigt ist. Wir müssen ihn wieder vergraben. Wir müssen eilen. Denke nicht nach. Nachdenken lähmt.«
    Er ging mit großen, stelzenden Schritten in den Innenhof zurück.
    »Hier, nimm eine Schaufel, steige in den Schacht und schleudere mir herauf, was du mit einem Stich heben kannst. – Ich werde dich stärken.«
    Das grüne Fläschchen war zur Hand, und er träufelte ein Dutzend Tropfen dem Jungen verdünnt zwischen die Lippen. Harald fühlte seinen Körper stahlhart werden und geschmeidig zugleich. Bald stand er unten und förderte die Erde herauf gleich einer Maschine. Der Chinese schleuderte sie weiter mit gespenstischer Kraft, auf den Steinsockel hinauf. So arbeiteten sie unablässig eine lange Weile, bis Dr. Sze herabrief:
    »Komm hervor, wir wollen zunächst

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