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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Hier und da hatten die Stürme der zurückliegenden Wochen Bäume und Sträucher entwurzelt. Manche lagen nun mit verkrüppelten Ästen wie Gerippe quer über dem Weg; niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie fortzuschaffen. Valentin erwies sich jedoch als äußerst umsichtig, und es gelang ihm, den Hindernissen auszuweichen.
    Trotz der klirrenden Kälte schienen sich die vier Scholaren auf dem Wagen gut zu unterhalten. Einer der Jungen hatte ein Bündel bunter Spielkarten aus seinem Umhang gezogen und seine Kameraden zu einer Partie Kanöffel überredet. Bald klangen Gelächter und übermütige Scherze durch den Wald.
    Katharinas Augen leuchteten beim Anblick der Scholaren belustigt auf. »Ich kann mich noch erinnern, wann ich das erste Mal Karten in der Hand hielt«, sagte sie an Philippa gewandt. »Der Bruder einer Postulantin hatte sie während eines Besuchs heimlich durch das Gitter geschoben.«
    »War es für eine Ordensfrau nicht gefährlich, Spielkarten zu besitzen?«
    »Ein Spiel, das den Heiligen Vater lächerlich macht? In welchem ein Bauer den König sticht?« Die Lutherin lächelte. »Mein ehemaliger Orden gehörte niemals zu jenen Ketzerjägern, die heutzutage unter jedem Stein hervorkriechen, um aus verirrten Beweggründen die Seelen ihrer Opfer mit Feuer zu läutern. Dennoch wäre eine Entdeckung nicht ohne Folgen geblieben.«
    »Ihr habt mir nie erzählt, warum Ihr Euer Kloster verlassen habt«, sagte Philippa und lenkte ihr Pferd mühsam um einen entwurzelten Baum. »Immerhin wart Ihr seit früher Kindheit an das Leben in der Klausur gewöhnt!«
    Katharina antwortete nicht sofort. Einige Augenblicke lang schienen sich ihre Glieder zu straffen, als kämpften sie gegen einen inneren Widerstand an. Dann sagte sie leise: »Manchmal, wenn ich frühmorgens durch die Gänge unseres Hauses laufe, kommt es mir so vor, als wäre ich noch immer in Marienthron. Dann verspüre ich den Drang, unter meinen Ärmeln die Hände zu falten, und höre die Glocke in meinen Ohren, die mich zur Frühmesse in den Chorraum ruft. Vielleicht ist dir aufgefallen, daß ich nicht in der Mitte eines Korridors gehen kann. Ich brauche den Schutz einer Wand. Gewisse Angewohnheiten lassen sich nun einmal nicht ablegen, sondern gehen in Fleisch und Blut über, und du trägst sie mit dir herum, bis zu dem Tag, an dem man dich zur letzten Ruhe bettet. Doch genug davon! Dein Onkel mag es nicht, wenn ich die alten Zeiten heraufbeschwöre. Ich habe ihm erzählt, daß ich aus dem Kloster geflohen bin, weil mich seine Schriften über das Ideal der christlichen Ehe überzeugt hatten.«
    »Was sind das für Schriften?« Philippa hob fragend den Kopf.
    »Nach dem biblischen Bericht legte der Herr Adam als Strafe für seinen Sündenfall auf, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu verdienen. Die Frau verpflichtete er dazu, neues Leben hervorzubringen, um die Erde zu bevölkern. Klösterliche Askese widerspricht folglich der Schöpfungsordnung, indem sie uns daran hindert, zu heiraten und Kinder zu gebären! Wie du an dem jungen Herrn auf dem Wagen erkennst, habe ich mich letztendlich dafür entschieden, meinem Leben einen neuen Sinn zu geben! Wenn man bedenkt, daß die einzigen Männer, die ich in meiner Jugend kannte, mein Vater, meine Brüder und ein kugelrunder Fischhändler mit Schnauzbart waren, ist mir dies gelungen, oder etwa nicht?«
    Die beiden Frauen brachen in schallendes Gelächter aus und konnten sich erst beruhigen, als Valentin plötzlich das Fuhrwerk zum Stehen brachte. Mit einem Stecken deutete der Knecht auf eine Weggabelung. »Hier geht's nach Magdeburg, Herrin«, sagte er. »Wir müssen in die andere Richtung abbiegen!«
    Als Katharina und Philippa sich von Johannes und seinen Kameraden verabschiedeten, hingen noch immer Tränen in ihren Augenwinkeln. Es waren Tränen der Freude, nicht der Trauer, aber Philippa war froh, daß Johannes sie bemerkte, als er seine Mutter umarmte. Die beiden würden einander über Monate, vielleicht sogar ein ganzes Jahr lang nicht sehen. Philippa ahnte, daß Katharina insgeheim darunter litt. Doch warum gelang es ihr niemals, ihre Gefühle und Wünsche zu zeigen? Gewisse Angewohnheiten lassen sich nicht ablegen, hatte Katharina gesagt und damit auch auf ihre eigene Hilflosigkeit im Umgang mit ihren Kindern angespielt.
    »Wir sollten weiterfahren, Herrin«, rief Valentin vom Wagen herunter. »Über den Baumgipfeln wird's schon langsam dämmrig.«
    »Du hast recht!« Katharina schwang sich

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