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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Sackpfeife zur Erde gleiten und spähte hinaus. Seine Miene verfinsterte sich, als er antwortete: »Vor ein paar Tagen entdeckten Holzfäller im Dickicht nahe der Straße nach Magdeburg den Leichnam eines Mannes. Er war schon halb verwest, kein hübscher Anblick. Sie nahmen an, daß er von Straßenräubern beraubt und erschlagen worden war. Deshalb schleppten sie ihn auf einer Bahre nach Rauhfeld und brachten ihn zum Gottesacker, um ihn zu beerdigen.«
    »Auf einer … Bahre!« Philippa starrte den Musikanten fassungslos an. »Die Dorfbewohner tragen doch etwas den Hügel hinauf. Ist das etwa …?«
    »… der Tote aus dem Wald? Ich fürchte, er ist es wirklich!« bestätigte Gabriel Prinz schulterzuckend. »Sie haben ihn wieder ausgegraben!«

17. Kapitel
    Felix Bernardi kaute an einem harten Kanten Brot. Seit die Lutherin das Schwarze Kloster verlassen hatte, fielen die Mahlzeiten, die ihre Hausmägde nach wie vor dreimal am Tag in seine Kammer trugen, weitaus karger aus. Doch er durfte sich nicht beklagen. Melchior Lupian behandelte ihn so freundlich und zuvorkommend wie immer. Er hatte sich, auf Bernardis Bitte hin, sogar überreden lassen, dem jungen Magister einige Bücher, Schreibzeug und eine zusätzliche Laterne zu bewilligen.
    Seit acht Stunden saß Bernardi bereits in völliger Isolation über das Papier gebeugt da, rechnete, zeichnete Diagramme und Schaubilder. Doch nichts davon gelang ihm zu seiner Zufriedenheit. Es paßte einfach nichts zusammen. Wer konnte ein Interesse daran haben, eine Magd zu ermorden und ihm die Tat in die Schuhe zu schieben? Der Unbekannte mußte nicht nur sein Opfer gekannt haben, nein, er mußte auch über Bernardis Vergangenheit im Bilde gewesen sein. Der Magister zermarterte sich das Hirn, wo er sein Medaillon verloren haben konnte, aber es mochte ihm einfach nicht einfallen. Und dann die letzte Botschaft der Lepperin. Bernardi hatte die Worte des Sinnspruches ein Dutzendmal niedergeschrieben, übersetzt und umgestellt, um ihnen eine verschlüsselte Nachricht zu entnehmen – ohne Erfolg. Der Spruch schien sich lediglich ganz allgemein gegen Graf Wolfger zu richten. Schließlich stand der Vertraute des hessischen Landgrafen überall in dem Ruf, daß er jedem Rock hinterherstieg, der seinen Weg kreuzte. Vermutlich hatte er die Lepperin in einer einsamen Stunde bedrängt, und sie hatte ihn abgewiesen. Doch dieser Umstand erklärte noch nicht das Pamphlet, das Luther die Reichsacht und damit den Tod androhte.
    Niedergeschlagen schritt Bernardi zu dem Alkoven hinüber und ließ sich auf den Heusack fallen. Ein würziger Duft nach getrockneten Blüten und Gräsern empfing ihn, und als er seine Augen schloß, tauchte Philippa von Boras Gestalt vor ihm auf. Sie steckte in einer eng geschnürten Robe aus purpurnem Damast, in ihrem Kopfputz glitzerten aufgestickte Perlen, Edelsteine sowie Gold- und Silberfäden. Lediglich die verstaubten Codices, die sie verkrampft unter beide Arme klemmte, störten das Bild ein wenig. Aber sosehr Bernardi sich bemühte, nicht einmal in seinen Gedanken konnte er sich Philippa ohne ihre Bücher vorstellen. Sie gehörten zu ihr wie ein Wasserrad zur Mühle, wie ein … Gegen seinen Willen hatte er sich in das eigensinnige Mädchen verliebt. Der Beginn ihrer Bekanntschaft war, beschönigend umschrieben, nicht frei von Konflikten gewesen, und zu guter Letzt blieb die Tatsache bestehen, daß sie die Angehörige eines alten sächsischen Adelsgeschlechts und er selber ein mittelloser, zum Christentum bekehrter Jude war, dessen Vater entweder tot war oder in einem spanischen Kerker saß.
    Ruhelos wälzte er sich von einer Seite auf die andere – und fuhr plötzlich in die Höhe. Auf dem Gang vor seiner Tür war ein knarrendes Geräusch zu hören. Jemand schlich den Korridor entlang und bemühte sich offensichtlich, möglichst kein Geräusch zu verursachen. Der Magister hielt den Atem an. Plötzlich war das Klirren eines Schlüsselbundes zu vernehmen und ein dumpfes Gepolter, als wenn ein schwerer Gegenstand zu Boden gefallen sei, und dann ein schriller Schrei, der in ein kurzes, hohles Stöhnen überging.
    Bernardi stützte sich auf den Ellenbogen und richtete seinen Blick in gespannter Erwartung auf die Klinke. Es war nichts mehr zu hören, doch ein beklemmendes Gefühl verriet ihm, daß sich jemand an der Tür zu seiner Kammer zu schaffen machte.
    Bewegte sich die Klinke? Bernardi sog scharf die Luft ein. Wo zum Teufel steckte die Wache des

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