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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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hoffe, daß Ihr in unserem Hause und mit Gottes Hilfe die Kraft finden werdet, mit dem schweren Verlust fertigzuwerden, der Euch in Lippendorf traf.«
    »Ihr seid sehr gütig, Onkel!« Philippa neigte den Kopf und deutete eine knappe Verbeugung an.
    »Man sagte mir, Felix Bernardi habe Euch nach Wittenberg begleitet. Wißt Ihr, wo er sich aufhält oder ob er die Stadt bereits verlassen hat?«
    Philippa richtete sich auf und blickte ihren Onkel irritiert an. Täuschte sie sich, oder hatte sich um dessen Mundwinkel tatsächlich ein Zug von Verbitterung und Resignation gelegt? Langsam schüttelte sie den Kopf. »Es tut mir leid, Onkel, aber ich habe nichts mehr von Bernardi gehört, seit er gestern abend mit dem Wagen Euren Hof verlassen hat!«
    »Bedauerlich, wirklich bedauerlich. Dabei wollte ich …«
    »Aber Doktor Luther«, mischte sich der andere Mann ein, »was kümmern Euch die Launen eines unbedeutenden Studenten? Habt Ihr vergessen, daß der hessische Abgesandte im Schloß eingetroffen ist? Seine Durchlaucht wird bald nach Euch schicken lassen. Bis dahin solltet Ihr Euch in Eure Gemächer zurückziehen, um ein wenig zu ruhen!«
    Martin Luther stöhnte auf und klopfte dann dem kahlköpfigen Mann jovial auf die Schulter. »Da seht Ihr, Nichte, wie die Welt sich um mein Wohlbefinden sorgt. Eure Tante Katharina und mein treuer Schreiber haben sich verbündet, es mir an nichts fehlen zu lassen. Und wenn die Welt voller Teufel wäre, die beiden würden sie mit einem samtenen Ruhekissen ersticken oder in saurer Arznei ersäufen!«
    »Hört nicht auf ihn, Jungfer von Bora«, rief der kahlköpfige Mann lachend. »Ich bin Melchior Lupian. Bitte laßt es mich wissen, falls Ihr oder Eure Dienerin etwas braucht.«
    »Für einen Sekretär wird meine Nichte wohl schwerlich Verwendung finden, Meister Lupian«, erklang plötzlich Katharina Luthers Stimme aus dem Hausflur. Sie schien eine ganze Weile dort gestanden und die Unterhaltung mit angehört zu haben. Nun schob sie sich an ihrem Gemahl und dem Schreiber vorbei auf die Treppe. Die kleine Margarethe und ein zweites Mädchen mit Zöpfen folgten ihr und betrachteten ihre erwachsene Cousine mit neugierigen Augen.
    »Wie meinst du das, Katharina?« fragte Luther überrascht und hielt seine Frau am Arm fest.
    »Unser Hausknecht behauptet, die Truhe hinter dem Portal gehöre dir, Philippa. Sie ist voll mit Büchern und Schriften in lateinischer und griechischer Sprache.« Katharina lächelte und schüttelte Luthers Arm ab. »Aber Liebes, warum hast du uns nicht gesagt, daß dein Vater dich in den Wissenschaften unterwiesen hat? Dies würde zumindest so manches erklären.«
    »Verzeiht mir, aber ich wußte nicht, wie ihr es aufnehmen würdet, daß ich mich mit humanistischen Studien befasse«, erklärte Philippa leise. »In Lippendorf gehörte es nicht gerade zu den Pflichten einer Hausherrin, Pico della Mirándola und die Lehren der Platonischen Akademie zu verstehen. Das Studium einer Sprache ist für mich jedoch wie … wie das Tor zu einer fremden, faszinierenden Welt.«
    »Aber Philippa …«, begann Katharina, wurde jedoch durch eine Handbewegung ihres Mannes zum Schweigen gebracht.
    »Ihr beherrscht Latein, Mädchen?« wollte er wissen.
    »In Wort und Schrift.«
    »Und Griechisch ebenfalls?«
    Philippa nickte, von der weiteren Frage ein wenig eingeschüchtert. Sie sah, wie der Schreiber ihrer Tante Katharina etwas ins Ohr flüsterte.
    »Dann seid Ihr ohne Zweifel eine begabte junge Dame, Philippa. Begabung und Lerneifer genügen jedoch nicht immer, um einer verwundeten Seele Frieden zu schenken. Ihr tragt einen Kummer mit Euch herum, der nicht allein vom Tod Eures Vaters herrührt.«
    »Wie könnt Ihr davon wissen, Onkel?« erwiderte Philippa ausweichend. Sie fühlte sich unter den forschenden Augen des großen Reformators zusehends unwohler, auch wenn eine seltsame Faszination von ihnen ausging.
    »Nun, ich denke, Ihr habt Lippendorf nicht freiwillig verlassen. Euer Bruder hat Euch ohne Mitgift vor die Tür gesetzt! War es nicht so, mein Kind?«
    Philippa begann zu schwitzen. Es war unmöglich, daß ihr Onkel von der Intrige der Medewitzer gehört hatte.
    »Die wenigsten Menschen tun etwas freiwillig, Onkel«, hörte sie sich schließlich zögernd antworten. »Mein Vater lehrte mich, daß der Herrgott uns die Freiheit schenkt, unser Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Genau das beabsichtige ich auch zu tun!«
    Martin Luther betrachtete sie von Kopf bis Fuß, ohne

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