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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Vorhaben Bürgschaft ablegen könnten?«
    Ehe Roswitha es verhindern konnte, reichte sie dem hageren Mann ihre Hand, und der freundliche Jude schlug mit einem schwachen Lächeln ein.
    ***
    »Eidgraf Wolfger wünscht Euch umgehend in der Tafelstube zu sprechen … nein, Frau, Euch gewiß nicht!«
    Der Diener, der Roswitha mit einer Geste aufzuhalten suchte, zählte gewiß nicht mehr als vierzehn Jahre, dennoch trat er bereits mit der überheblichen Selbstsicherheit eines Mannes von hohem Rang auf.
    »Was soll das bedeuten, du Wicht?« zischte Roswitha böse. »Glaubst du, deine zweifarbigen Hosenbeine geben dir das Recht, so mit einer ehrbaren Frau zu sprechen? Ich habe die Jungfer von Bora seit dem Tag ihrer Geburt keinen Moment aus den Augen gelassen und werde in diesem Gemäuer keine Ausnahme machen, verstanden?«
    Beleidigt ergriff der Knabe einen brennenden Kandelaber von einem der Gesimse und deutete den Frauen mit kaltem Blick, ihm den Gang hinunter zu folgen.
    Philippa atmete tief durch. Roswitha war eine gute Seele, sie trug das Herz auf dem rechten Fleck, aber leider neigte sie zu Übertreibungen. Was sollte ihr im Schloß des Kurfürsten, der immerhin ein Gönner ihres Onkels war, schon geschehen? Die Amme ließ sich nun einmal selten von einer fixen Idee abbringen. In diesem Punkt ähnelte sie Bernardi. Tief gruben sich Philippas Hände in die weiten Taschen ihres Umhangs, während sie dem hochnäsigen Diener folgte. Ihre Fingerspitzen berührten ein zerknittertes Stück Papier. Richtig, das war ihr in der Druckerei heruntergefallen. Sie hätte es Maria Lepper geben müssen, vermutlich enthielt es Notizen für den Unterricht, den sie für den morgigen Tag ihrer Gehilfin übertragen hatte, obschon Marias Verhalten in den letzten Tagen immer sonderbarer geworden war. Sie sprach mit kaum jemandem mehr, ihre Mahlzeiten nahm sie unregelmäßig ein, und oftmals blieb sie stundenlang verschwunden und kehrte erst gegen Abend in die Gesindestube zurück.
    »Wartet hier, Herrin!« Der Diener verschwand mit seinem Kandelaber hinter einer mächtigen Eichentür. Eine Weile warteten sie angespannt. Philippa betrachtete die Wandmalereien, mit denen der kleine Vorraum von geschickten Händen einst ausgeschmückt worden war. Die Fresken zeigten Weinreben mit dichtem Blätterwerk in kräftigen Farbtönen, dazu zierliche Buschrosen und zu beiden Seiten eines Erkers zwei Edeldamen mit prächtigem Kopfputz, die ihre Nasen voller Entzücken in den roten Blüten versenkten. Ein Teil der Malereien war nur in blassen Umrissen zu erkennen. Entweder war dem Künstler die Farbe ausgegangen, oder der Kurfürst hatte aus Gründen der Sparsamkeit auf dessen weitere Dienste verzichtet.
    Endlich drangen Stimmen auf den Flur hinaus. Philippa vernahm ein klägliches Stammeln, dem ein schrilles Aufheulen folgte.
    »Was zum Henker …« Philippa erschauerte.
    »Laßt uns gehen, mein Herz«, zischte Roswitha ihr zu.
    Im nächsten Moment wurde die Tür aufgerissen. Dem Diener hatte jemand offensichtlich eine Ohrfeige verpaßt. Anscheinend hatte er einen unverzeihlichen Fehler begangen. Mit rötlich geschwollener Wange wankte er auf den Flur hinaus und gab Philippa ein Zeichen, einzutreten. Von der Überheblichkeit des Knaben war nicht viel übriggeblieben. Als Roswitha sich anschickte, Philippa zu folgen, begann er zu schluchzen. Philippa blieb stehen.
    »Roswitha, ich möchte, daß du dich von dem Jungen zum Ausgang führen läßt.«
    »Aber Philippa … ich kann doch unmöglich …«
    »Gewiß willst du es nicht verantworten, daß der Junge heute nacht vor Schmerzen nicht schlafen kann, nur weil du so störrisch bist und mich nicht allein lassen kannst!«
    Nachdem die Amme an der Seite des verheulten Pagen gegangen war, lag der Korridor einsam und verlassen vor Philippa. Nur aus der Ferne hörte sie leise Flötenmusik und das Lachen einiger Männer und Frauen.
    »Ihr seid eine bemerkenswerte Frau, Jungfer von Bora!« Wolfger von Hoechterstedt lächelte einladend und bot Philippa mit einer herablassenden Geste einen Platz am Kaminfeuer an.
    Die Tafelstube war ein mittelgroßer, mit rotbraunem Edelholz getäfelter Raum, dessen Fenster auf einen der vier gewaltigen Balkons hoch über dem Schloßhof wiesen. Kerzen in mannshohen Bronzeleuchtern tauchten das Gemach in ein samtenes Licht. Vor dem Kamin fiel Philippas Blick auf einen wuchtigen Eichentisch, auf dem eine stattliche Anzahl von Land- und Seekarten ausgebreitet lag.
    »Ihr

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