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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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augenblicklich nachkam.
    »Eure Freundin versucht Euch darauf hinzuweisen, daß Ihr im Begriff steht, euch mit Juden abzugeben, mit Ungläubigen, nach den Gesetzen Eurer Kirche. Mein Name ist Josel von Rosheim.«
    Philippa neigte irritiert den Kopf. Sie erinnerte sich, daß der Name Josel beim Gastmahl im Schwarzen Kloster gefallen war, als Eidgraf Wolfger seine Schmähworte gegen die Juden des Reichs ausgestoßen hatte.
    In den Augen des Mannes spiegelte sich der Glanz der Pechfackeln, die den Innenhof beleuchteten. Die Flammen verliehen ihm die beinahe magische Aura eines Mannes, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Fröstelnd raffte sie ihren Umhang enger um die Schultern. »Ich fürchte, daß ich Euch nicht helfen kann, Meister Josel. Meine Amme und ich gehören nicht zum Haushalt des Kurfürsten. Wir sind nur auf dem Weg, jemandem einen Besuch abzustatten.«
    »Seit den frühen Morgenstunden läßt man uns nun hier schon warten wie Vaganten«, rief plötzlich Josels Begleiter vom Wagen herab, ohne sich durch die mahnenden Blicke des älteren Mannes beschwichtigen zu lassen. »Freund Josel von Rosheim ist Sprecher der deutschen Judenschaft, Frau. Er vertritt sämtliche unserer Gemeinden vom Rheinland bis hinauf in die Ebenen Ungarns und ist sogar berechtigt, ein Siegel zu führen und vor des Kaisers Reichstagen aufzutreten. Und nun …«
    Eine ärgerliche Stimme am Tor ließ den Mann jäh verstummen. Philippa beobachtete, wie sich eine der Hellebarden aus der Dunkelheit des Torbogens erhob. Der kalte Stahl richtete sich einen Herzschlag lang bedrohlich in ihre Richtung. Dann brüllte ein Wachsoldat die Juden an, sie sollten gefälligst den Mund halten, wenn sie nicht mitsamt ihrem Wagen vom Schloßhof gejagt werden wollten.
    »Ihr seht, Herrin, wir haben nicht gerade den besten Leumund in diesem Land«, seufzte Josel von Rosheim und lächelte traurig. »Zehn Tage waren mein Bruder und ich unterwegs, nur um den Kurfürsten zu sprechen, aber man läßt mich nicht vor, und auf mein schriftliches Gesuch an Luther erhalte ich keine Antwort.«
    Roswitha zupfte verstimmt an Philippas Ärmel. Im Grunde ihres Herzens hatte sie nichts gegen Juden, wenn sie ihr nicht zu nahe kamen. Doch dieser freche Mensch wagte es, ihr Ziehkind in ein Gespräch zu verwickeln. Ausgerechnet unter den Fenstern des Schlosses, wo jedermann sie sehen konnte.
    »Es geht um die Ausweisung Eurer Glaubensbrüder aus Kursachsen, nicht wahr?« erkundigte sich Philippa. »Kurfürst Johann Friedrich hat ihnen im vergangenen Jahr das Bleiberecht aufgekündigt.«
    Der Mann mit der Zobelmütze lächelte nicht mehr. Seine grauen Augen blickten Philippa forschend an. »Darf ich fragen, Herrin, was Ihr darüber wißt?«
    »Ich hörte davon reden, Meister. Mehr ist dazu nicht zu sagen.«
    »Glaubt Ihr, es lohnt sich, noch länger auf eine Antwort zu warten?« mischte sich der andere Mann wieder ins Gespräch ein. Er hatte einen Beutel aus den Polstern des Reisewagens geholt, von dem ein betörender Geruch nach Heilkräutern aufstieg.
    Philippa spähte vorsichtig zum Tor hinüber. Gott sei Dank hatte sich die Hellebarde wieder in ihrer Höhle verkrochen. Aber das spielte keine Rolle mehr. Josel tat ihr leid, er schien ein Mann zu sein, der seinen eigenen Reichtum dafür einsetzte, sich für andere Menschen zu verwenden. Trotz seines asketischen Äußeren strahlte er Freundlichkeit und einen unbeugsamen Willen aus, Eigenschaften, für die Philippa aufrichtigen Respekt empfand.
    Dennoch konnte sie Josel und seinem Begleiter keine großen Hoffnungen machen. Die beiden hatten einen ungünstigen Zeitpunkt gewählt, um mit dem Kurfürsten über das Schicksal der sächsischen Juden zu diskutieren. Weder Johann Friedrich noch Martin Luther würden den von Karl V. privilegierten jüdischen Befehlshaber Josel in der Nacht vor ihrem Aufbruch nach Schmalkalden empfangen. Das Bundestreffen war kein Reichstag, und die protestantischen Fürsten waren zweifellos nicht gewillt, sich in ihrer eigenen Bedrängnis für verachtete Außenseiter einzusetzen.
    »Sämtliche Briefe an meinen … an Doktor Luther werden von seinem Sekretär Lupian begutachtet«, sagte Philippa in vertraulichem Ton. »Vor dem Bundestreffen der Fürsten werdet Ihr hier in Wittenberg schwerlich etwas ausrichten. Ich kann Euch daher nur raten, mit Melanchthon in Briefwechsel zu treten und ihn um Vermittlung zu bitten. Vielleicht kennt Ihr in Eurer Heimat einige Leute von Einfluß, die für Euer

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