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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Brutal packte der Graf sie am Arm und zwang sie in einen der Kaminsessel. Dann beugte er sich über sie, so nah, daß sie nicht nur seinen Atem, sondern auch seinen blonden Bart auf ihrer Wange spürte. Angewidert versuchte sie, den Kopf zu drehen, aber Wolfger ließ es nicht zu. Mit eisernem Griff drückte er sie tiefer in das weiche Leder. Verzweifelt schnappte Philippa nach Luft.
    »Ihr werdet noch lernen, Euch zu fügen und mir zu gehorchen«, hörte sie die bedrohlich sanft klingende Stimme des Eidgrafen, »weil wir beide anders sind als diese frömmelnden Narren hier in der Stadt.«
    »Das glaubt Ihr nicht im Ernst!«
    »O doch, Philippa«, sagte er gönnerhaft, während er mit seinem rechten Zeigefinger über ihr Kinn strich. »Auch auf die Gefahr hin, mich vor Euch zu demütigen, müßt Ihr wissen, daß ich im Innersten meines Herzens nichts weiter als eine verdammte Krämerseele bin. Mein Geschäft ist der Handel mit Nachrichten jeder Art, und dieser Handel kann mitunter recht einträglich sein. Die mühsam geknüpften Verbindungen zwischen meinem Herrn und dem Herzog von Sachsen sind im Augenblick meine bedeutendsten Aktiva. Doch wer sagt, daß es so bleiben muß? Der Markt ist launisch.«
    »Darum geht es Euch also«, stieß Philippa feindselig hervor. Sie versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien. »Krämer und Schulmeisterin ziehen an einem Strang! Ich frage mich nur, welche Rolle Eure Ehefrau in dieser kleinen Schmierenkomödie spielen soll?«
    Wolfger lachte. »Ihr verfügt wirklich über einen messerscharfen Verstand. Wie Ihr im Hause Eures Onkels sehen konntet, ist meine Gemahlin schwach und welkt dahin wie eine Mimose. Abgesehen davon ist die Verbindung mit einer Französin am Hof eines protestantischen Landesfürsten derzeit nicht besonders vorteilhaft!«
    »Eure Frau leidet an Eurer eigenen Gemeinheit! Und wenn Ihr mich nicht auf der Stelle gehen laßt, werde ich …«
    »Was? Den Kurfürsten wecken lassen? Dich bei deinem Onkel beschweren? Du weißt doch, daß ich über genügend Einfluß verfüge, um euch armseligen Bauern in Schmalkalden die Ernte gründlich zu verhageln. Es wäre gewiß unangenehm für deine Verwandten, wenn sie ihren Hof räumen und die Stadt als Bettelpack verlassen müßten.«
    Unvermittelt ließ er von Philippa ab, richtete sich auf und strich sein glänzendes, blaues Wams über der Brust glatt. »Eure Dienerin trägt soeben eine Botschaft ins Schwarze Kloster, die Doktor Luther und sein Weib von Eurem Wunsch in Kenntnis setzt, die nächste Zeit im Schloß zu verbringen, wie es Eurem Stand zukommt.«
    Mit einem eisigen Lächeln half der Eidgraf Philippa sich zu erheben und geleitete sie zur Tür. Ihre Beine zitterten, aber Wolfger tat so, als bemerke er es nicht. »Und nun darf ich Euch bitten, zu gehen! Es ist schon spät, und mein Page hat ein Nachtquartier für Euch vorbereiten lassen.«
    Und zweifellos wird er dafür Sorge tragen, daß ich mich nicht von der Stelle rühre, bevor mein Onkel, Melanchthon und der Kurfürst Wittenberg verlassen haben, dachte Philippa zornig. Jeder Knochen in ihrem Leib tat ihr höllisch weh; zudem wagte sie kaum zu atmen, weil sie Wolfger nicht die Genugtuung geben wollte, sich über sie lustig zu machen. Doch sie hatte Glück im Unglück gehabt: Er hatte sie nicht vergewaltigt. Ohne den Grafen noch eines weiteren Blickes zu würdigen, schritt sie aus dem Zimmer.
    ***
    Gegen Mitternacht senkte sich ein grauer Nebel über die Stadt. Am nächsten Morgen war es finster wie vor dem ersten Schöpfungstag. Als der Wagenzug des Kurfürsten sich aus dem Schloßtor schob und den aufgeweichten Weg die Collegienstraße hinunter zum Elstertor einschlug, riß mit einem Donnergrollen die Wolkendecke auf. Wind und Regen peitschten über die Dächer der Kutschen, rüttelten an den Planen der Proviantwagen und löschten die Fackeln der Berittenen, die den Zug auf beiden Flanken sicherten. Inmitten des tosenden Durcheinanders wirkte allein das prunkvolle Wappen der Wettiner auf den Türen der größten Kutsche wie ein strahlender Diamant inmitten einer Handvoll gequollener Erbsen.
    »Seht zu, daß Quartiermacher den Wagen des Kurfürsten im Auge behalten«, rief Kanzler von Taubenheim dem Soldaten an seiner Seite durch den heulenden Wind zu. »Ich reite vor an die Spitze, um zu sehen, ob Doktor Luther bereits zu uns gestoßen ist!«
    Luthers stabiler Kastenwagen schloß unmittelbar hinter dem Fahrzeug des kurfürstlichen Leibarztes auf,

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